Mord hat keine Tränen: Ein Fall für Jessica Campbell (German Edition)
aufschlagen. Irgendjemand würde ihn finden, entweder Pete Sneddon oder ein Spaziergänger. Ich wäre längst weg und in Sicherheit.«
»Aber wie?«, fragte Jess forsch. Diese Geschichte hatte mehr Löcher als ein Sieb. »Sie hatten keinerlei Transportmöglichkeit, um von dort wieder nach Hause zu kommen.«
»Ich wusste, dass ich zu den Colleys gehen konnte. Vergessen Sie nicht ...«, unerwartet huschte ein Lächeln über Bridgets angespannte Miene. »Ich bin eine Bickerstaffe. Ich kenne die Colleys schon mein ganzes Leben. Ich würde ihnen erzählen, dass ich auf dem Weg nach Balaclava House gewesen wäre, um nach dem Rechten zu sehen. Mein Wagen hätte eine Panne gehabt, und ich hätte Seb Pascal angerufen, damit er mich abschleppen kommt. Ich würde Dave oder Gary Colley bitten, mich nach Hause zu fahren. Selbst wenn sie mir nicht alles glaubten, konnte ich darauf vertrauen, dass die Colleys keine Fragen stellten. Es ist alles ziemlich feudal, wissen Sie, wie damals - die Bickerstaffes und die Colleys. So war es immer schon. Wirklich seltsam, heutzutage, aber sobald man die Welt von Balaclava House betritt, ist man nicht mehr im Heute. Man findet sich in einem umnachteten Zeitalter wieder.«
»Und das haben Sie gemacht?«
»Nicht ganz. Verstehen Sie, der Taugenichts starb mir unter den Händen, als ich in die Toby's Gutter Lane einbog.« Bridgets Stimme wurde grimmig. »Er fing unvermittelt an sich zu übergeben und kippte vornüber, soweit der Sicherheitsgurt es erlaubte. So blieb er. Ich hätte fast die Kontrolle über den Wagen verloren, vor lauter Schreck. Es war widerlich. Beinahe hätte ich mich selbst übergeben. Ich steuerte an den Straßenrand und stieg aus, um frische Luft zu schnappen. Dann fing ich an zu überlegen. Den größten Teil meines Planes konnte ich weiterverfolgen. Ich konnte den Wagen immer noch in den Steinbruch von Shooter's Hill stürzen. Doch die Forensiker heutzutage sind so verdammt schlau, und mir war klar, dass sie bei einer Obduktion feststellen würden, dass Taylor schon tot gewesen war, als der Wagen unten aufschlug. Außerdem waren meine Fingerabdrücke überall drauf. Ich dachte erst in diesem Augenblick daran. Etwas so Elementares, und ich hatte es vergessen - soll man es für möglich halten? Wahrscheinlich lag es daran, dass ich es so eilig hatte, Taylor aus meinem Haus zu schaffen.
Dann hatte ich Glück im Unglück. Es gibt ein Feld, wo Toby's Gutter Lane anfängt, und während ich noch bei Taylors Wagen stand und überlegte, sah ich Gary Colley mit einer aufgeklappten Schrotflinte über dem Arm auf dem offenen Feld stehen. Die Colleys haben schon immer alles erlegt, was Fell oder Federn trägt.
Ich rief ihn herbei. Ich erzählte ihm mehr oder weniger die Wahrheit - dass mein Beifahrer im Wagen neben mir gestorben war. Dass ich den Wagen und den Toten unbedingt loswerden wollte, weil ich nicht in eine Gerichtsverhandlung verwickelt werden wollte. Gary konnte meine Argumentation gut verstehen. Dann fiel mir ein, dass Balaclava House tagsüber nie abgesperrt und die Wahrscheinlichkeit groß war, dass Onkel Monty noch nicht von seinem täglichen Ausflug in die Stadt zurückgekehrt war.«
»Sie schlugen vor, den Toten in das Haus Ihres Onkels zu bringen, damit der alte Mann ihn findet?«, rief Jess ungläubig aus. Vergessen war der Entschluss, Bridget Harwell auf keinen Fall mehr zu unterbrechen. »Der Schock hätte einen Herzanfall verursachen können!«
»Bei Onkel Monty? Eher nicht. Er ist zäh wie ein alter Lederstiefel. Verschwenden Sie nicht Ihr Mitgefühl auf Monty. Er hat Tante Penny das Leben zur Hölle gemacht. Sie hat ihn angebetet, doch am Ende hat sie es nicht mehr ertragen und ist gegangen. Soll man das für möglich halten - der elende Mistkerl war nicht einmal auf ihrer Beerdigung! Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen: Die Vorstellung, dass er mit seiner Tüte voll klimpernder Flaschen ins Haus gestolpert kommt und den Toten findet - das geschähe ihm recht! Ich fand den Gedanken sogar amüsant, und ich hatte eine Aufmunterung bitter nötig nach allem, was ich an diesem Tag durchgemacht hatte.« Bridget machte ein finsteres Gesicht.
Jess starrte sie sprachlos an. Irgendetwas an alledem stimmte nicht, doch sie konnte nicht sagen, was es war. Es ergab einen Sinn, auf eine grausam logische Weise, nur ...
»Sie haben den Wagen nach Balaclava House gefahren, mit Gary Colley als Passagier?«
»Gary hat den Wagen gefahren. Ich hatte keine große Lust, mich
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