Mord im Atrium
ihr Saturnaliengrünzeug sehr düster, oder es hatte einen anderen Grund: Jemand war gestorben.
Quadrumatus Labeo, Sohn des Marcus, Enkelsohn des Marcus (ein Konsul), hatte die Form einer Zwiebel, um die ein fließendes langärmliges Gewand hing, über und über mit Lotosblüten bestickt, was auf unerwartete alexandrinische Dekadenz schließen ließ. Ich nahm an, dass die pharaonische Schmusedecke ihn wärmen sollte; ansonsten benahm er sich ganz normal. Zwei enorme Goldringe zwangen ihn, die Hände steif zu spreizen, damit die Leute die Metallarbeiten bemerkten, doch insgesamt wirkte er eher streng. Sein persönlicher Barbier schnitt ihm das Haar wie das eines Boxers, rasierte ihn, bis die Wangen die Farbe zerquetschter Damaszenerpflaumen annahmen, und besprengte sie dann mit einem leichten Schwertlilienwasser.
Ich hatte mich vorher in dem im Atrium der Libertas untergebrachten Zensusbüro erkundigt und erfahren, dass Quadrumatus’ Familie seit mindestens drei Generationen dem Senat angehörte; seinen Stammbaum weiter zurückzuverfolgen hatte mich zu sehr gelangweilt. Nun war klar, woher die Familie ihr Geld hatte, aber aus der häuslichen Situation ließ sich ableiten, dass sie immer noch in angenehmen Verhältnissen leben konnten. Quadrumatus Labeo hätte durchaus ein jovialer Bursche sein können, der seinen Haushalt mit witzigen Geschichten zum Lachen brachte, doch bei unserer ersten Begegnung wirkte er abgelenkt und nervös.
Der Grund dafür stellte sich sogleich heraus. Er war an geschäftliche Treffen gewöhnt, die er vermutlich mit großer Effizienz leitete. Er wusste, wer ich war. Er erzählte mir, was ich wissen wollte, ohne auf Fragen zu warten. Er hatte Veleda aus patriotischem Pflichtbewusstsein in sein Haus aufgenommen, obwohl es ihm widerstrebte, sie für längere Zeit dazubehalten, weshalb er beabsichtigt hatte, vorstellig zu werden und um ihre Entfernung zu bitten (womit er wahrscheinlich Erfolg gehabt hätte). Sie hatten es ihr bequem gemacht, im möglichen Rahmen angesichts dessen, dass sie einst eine gefürchtete Feindin gewesen war und jetzt eine zum Tode verurteilte Gefangene. Sein Haus war groß genug, sie in einer in sich abgeschlossenen Wohnung unterzubringen. Zwischen Veleda und seiner Familie hatte es nur minimalen Kontakt gegeben, wenngleich seine liebenswürdige Frau die Höflichkeit besessen hatte, nachmittags mit der Priesterin Minztee zu trinken.
Er bedauerte, dass Veleda von einem Besucher Einzelheiten über ihr Schicksal erfahren hatte. (Das deutete natürlich darauf hin, dass Besuchern erlaubt worden war, sie anzugaffen.) Wenn er oder seine Angestellten mir bei den Ermittlungen zu ihrem Verschwinden behilflich sein könnten, würden sie das tun, doch insgesamt gesehen würde Labeo es vorziehen, den ganzen grässlichen Vorfall zu vergessen – insofern das möglich war. Seine Frau würde nie darüber hinwegkommen. Die ganze Familie wäre gezwungen, sich für den Rest ihres Lebens an Veleda zu erinnern.
Es gebe ein paar seltsame Umstände, hatte Laeta mich gewarnt. Ganna hatte nichts davon gesagt, doch ich hatte gespürt, dass sie etwas verschwieg. Mir wurde mulmig. »Was ist passiert, Senator?«
Manchmal schwanken Zeugen, manchmal kaschieren sie die Wahrheit. Manchmal wissen sie einfach nicht, wie sie die Geschichte erzählen sollen. Quadrumatus Labeo war die Ausnahme. Er verschwendete weder meine noch seine Zeit. Er blieb beherrscht, aber seine Stimme war angespannt. »Bevor Veleda floh, ermordete sie meinen Schwager. Es gibt keinen Zweifel, dass sie dafür verantwortlich ist. Seine enthauptete Leiche lag in einer riesigen Blutlache. Der Sklave, der als Erster dazukam, erlitt einen Nervenzusammenbruch. Meine Frau fand dann den abgeschlagenen Kopf ihres Bruders im Atriumbecken.«
Tja, das erklärte die Trauerzypressen. Und ich verstand, warum Laeta und Ganna diese Kleinigkeit nicht erwähnt hatten.
VII
B ei meinem Eintreffen war ich durch das Atrium gekommen, doch nachdem ich nun wusste, dass es ein Tatort war, bat ich Quadrumatus Labeo, es mir erneut zu zeigen. Während wir an dem mit Marmor ausgelegten Rand eines zwanzig Fuß langen Beckens standen, zog ich meine Notiztafel und den Stilus heraus. Ich skizzierte einen Lageplan und deutet mit einem Pfeil an, wo der Kopf gefunden worden war. Hinter mir linste der lusitanische Pförtner aus dem schmalen, mit Vorhängen versehenen Flur, der von der Eingangstür hierherführte. Als er seinen Herrn erblickte, gab sich der
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