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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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könnte?«
    »Keinesfalls. Scaeva war ein temperamentvoller Mann, doch wir konnten uns stets auf sein angemessenes Benehmen verlassen.«
    Das erschien mir fraglich. Die Veleda, an die ich mich erinnerte, hatte vor strahlender Selbstsicherheit geglüht. Wir hatten sie angeschaut und geschluckt. An ihr war mehr als nur die königliche Gestalt und das blassgoldene Haar. Das Vertrauen argwöhnischer, streitlustiger Stammesangehöriger zu gewinnen erforderte besondere Qualitäten. Veleda hatte die Brukterer dazu gebracht, den Kampf gegen Rom als ihre einzige Bestimmung anzusehen, ja, sie hatte sie sogar davon überzeugt, dass sie dieses Schicksal selbst gewählt hatten. Sie war in eine Aura gehüllt, die weit über das vorgetäuschte Mysterium der meisten Wahrsager und Scharlatane hinausging. Sie war brillant, verzaubernd – und, als ich sie kennenlernte, auf verzweifelte Weise ausgehungert nach intelligenter männlicher Konversation. Wenn sie seit Monaten in Gefangenschaft saß, musste sie wieder verzweifelt sein.
    Veleda war rasch bereit gewesen, ihre Gedanken und Träume mit einem »vielversprechenden jungen Mann« zu teilen, als wir ihr einen geliefert hatten. Der junge Mann, den ich mit ihr in ihrem Turm verschwinden sah, hatte auf »angemessenes Benehmen« verzichtet, ohne auch nur darüber nachzudenken. Ich hatte ihm dringend geraten, auf sich aufzupassen, doch er hatte eilends die Chance ergriffen, ihr nahe zu sein.
    Danach hatte Justinus den Schmerz, Veleda zurücklassen zu müssen, fünf Jahre lang getragen, und ich sah keinen Grund zu der Annahme, dass er sich jemals von ihr befreien würde. Hatte sich demnach Scaeva in demselben subtilen Spinnennetz verfangen?
     
    Quadrumatus Labeo war fertig mit mir, ganz gleich, ob ich fertig mit ihm war. Sein Traumdeuter war eingetroffen.
    »Alpträume seit dem Mord?«
    Der Senator blickte mich an, als hätte ich sie nicht alle. »Derartige Konsultationen helfen dem rationalen Denken. Der Mann besucht mich täglich.«
    Also beherrschte der Traumtherapeut Labeos gesamtes Handeln. Ich ließ mir nichts anmerken. »Haben Sie ihn auch darüber konsultiert, ob Sie Veleda erlauben sollten, hier unterzukommen?«
    Sein Blick wurde schärfer. »Ich versichere Ihnen, Falco, dass ich auf peinliche Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen geachtet habe!«
    Ich betrachtete das als Eingeständnis.
     
    Der Traumtherapeut war erkältet. Er wischte sich die Nase am Ärmel seiner mit Sternen gesprenkelten knielangen Tunika ab, als er an mir vorbeifegte, hinter seinem ehrwürdigen Patienten her ins Allerheiligste. Wir wurden einander nicht vorgestellt. Doch ich würde ihn wiedererkennen. Er konnte nur ein Chaldäer sein, mit dieser typischen langen Hakennase, dem sonderbaren Kopfputz aus Stoff und einer Krankheit, die er sich wahrscheinlich durch überfreundliche Beziehungen zu seinem Kamel eingefangen hatte. Als exotische Steigerung trug er schmutzige weiche Fellpantoffeln mit hochgebogener Spitze, die sich der Form seiner Füße angepasst hatten. Wie es aussah, litt der Arme unter entzündeten Ballen.
    Sein Name war Pylaemenes. Das erzählte mir der Haushofmeister. Zu meinem Erstaunen schien den Sklaven der Mann gleichgültig zu sein. Ich hatte damit gerechnet, dass sie einem einflussreichen Außenseiter feindselig gegenüberstünden – vor allem einem von so eindeutig ausländischer Erscheinung, dessen Tunikasaum genäht werden musste, der aber vermutlich Milliarden einkassierte.
    »Wir sind die seltsamsten Leute gewöhnt«, meinte der Haushofmeister schulterzuckend, während er mich zu dem Sklaven führte, der die Leiche entdeckt hatte.
    Bei ihm handelte es sich um ein verstörtes Bürschchen von etwa fünfzehn Jahren, das zitternd in der Ecke seines Verschlags hockte und seine Knie umschlungen hielt. Als ich in dieses trostlose Quartier trat, eine typische Sklavenzelle, die er sich mit einem anderen teilte, zeigte er mir das Weiße seiner Augen wie ein verschrecktes Fohlen. Der Haushofmeister hob eine dünne Decke auf und legte sie ihm über, aber sie würde gleich wieder runterrutschen.
    Als Zeuge war der Junge nutzlos. Er wollte nicht sprechen. Es sah aus, als würde er auch nicht essen. Wenn nicht bald etwas getan würde, war er eine verlorene Seele.
    Was sollte man auch erwarten? Der Haushofmeister hatte mir von ihm erzählt. Er war ein fröhlicher, nützlicher Junge gewesen, der sich plötzlich allein in einem Zimmer mit einer kopflosen Leiche wiedergefunden hatte. Geboren und

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