Mord im Atrium
wenigstens nichts mitgekriegt.« Ich grinste sie an. »Du bist eine gefährliche Frau. Und wirf es Quintus nicht vor. Er ist beim Militär darauf trainiert worden, auf Angriffe zu reagieren … Es wird nicht wieder passieren. Wenn doch, hättet ihr beide Grund, euch Sorgen zu machen – aber das wird nicht der Fall sein.«
»Es wird mit Sicherheit nicht passieren, wenn er nie wieder heimkommt«, knurrte Claudia.
»Du willst also, dass er heimkommt?«, fragte ich mit Nachdruck. Sie verstummte.
Die schmalen Doppeltüren unseres freundlichen türkisfarbenen Salons glitten leise auseinander. Helena kam herein, schloss die Türen hinter sich und lehnte sich kurz mit dem Rücken dagegen. Vermutlich hatte sie von draußen gelauscht.
Ich fragte mich, wo ihre Mutter war. Der Gedanke, dass die edle und elegante Julia Justa einer Gruppe unfähiger Soldaten zeigte, wo sie ihre Feldbetten aufstellen konnten, war pikant. Sie würde es ohne Bedenken tun. Julia war kompetent, viel kompetenter, als die Jungs erwarten würden. Ich lebte mit ihrer Tochter zusammen, daher wusste ich, wie die Camilli erzogen worden waren.
In der Vergangenheit hatte es viel Zuneigung zwischen Helena und Claudia gegeben. Trotzdem setzte sich Helena neben mich. Ich wusste, dass ihre Loyalität eher ihrem Bruder als dessen Frau gehörte.
Das war das Dilemma einer Braut aus der Fremde, wenn die Dinge schiefliefen. Selbst wenn sich die Menschen, unter denen sie sich ein neues Leben geschaffen hatte, auf ihre Seite stellten, konnte sie ihnen nie vollkommen vertrauen. Dank meiner niederen Herkunft war ich anders und konnte das Mädchen manchmal trösten, doch Helena würde immer eine der Camilli sein. Justinus hatte schon mehr als einmal Mist gebaut, und er würde sich wegen Veleda zum Narren machen, wenn er konnte, doch seine Frau würde darum kämpfen, Verbündete zu finden. Das wusste sie auch. Sie wusste ebenfalls, dass es ihre eigene Schuld war, ihn geheiratet zu haben, und jeder es ihr ankreiden würde, falls sie die Scheidung einreichte.
Claudia Rufina war in Rom auf sich selbst gestellt. Das, was sie noch an Familie hatte, lebte weit entfernt in Corduba. Ihre Eltern waren schon lange tot, ihr jüngerer Bruder war ermordet worden, und ihre Großeltern waren sehr alt. Ich war mir nicht mal sicher, ob das alte Paar noch lebte. In Baetica hatte sie eine enge Freundin gehabt, eine junge Frau namens Aelia Annaea, aber Aelia war in Corduba geblieben und ebenfalls verheiratet. Obwohl sie sich vermutlich schrieben, musste sich ihre Beziehung verändert haben. Allein schon dadurch, dass Claudia Rufina angekündigt hatte, Camillus Aelianus zu heiraten (den die Leute bei ihr zu Hause alle kannten, weil er dort einen Posten gehabt hatte), mochte sie gewisse Vorbehalte gehabt haben, ihnen später mitzuteilen, dass sie zu seinem Bruder Camillus Justinus übergewechselt war. Zu jener Zeit hatte Claudia ihn für den Hübscheren gehalten, mit dem man mehr Spaß haben konnte als mit seinem Bruder. Das war, bevor sie entdeckte, wie viel Spaß er in seiner Vergangenheit gehabt hatte.
»Erzähl mir, was in Germanien passiert ist«, bat mich Claudia. Selbst Helena wandte sich mir erwartungsvoll zu, was Claudia sofort bemerkte.
»Das ist ziemlich einfach.« Ich sprach mit gleichmäßiger Stimme. »Der Kaiser hat mich auf eine Mission geschickt, um zwei erbitterte Gegner Roms zu überreden, Frieden zu schließen. Das waren Civilis, ein einäugiger batavischer Abtrünniger, der in den Legionen gedient hatte, und Veleda, eine Seherin, die von einem fernen Ort in den Wäldern Hass gegen uns schürte. Sie lebte in Germania Libera, einem Gebiet, das nicht unter römischer Befehlsgewalt steht. Daher waren Teile unserer Reise extrem gefährlich. Quintus begleitete mich, wie du weißt. Wir gerieten in Schwierigkeiten – schlimme Schwierigkeiten. Die meisten meiner Gruppe fielen in die Hände von Veledas Stamm, den Brukterern, die Rom verabscheuen. Sie wollten uns töten. Quintus und ein anderer Legionär, die ihren Fängen entflohen waren, kamen zu unserer Rettung. Während die Krieger ein Festmahl abhielten und sich für das Massaker aufputschten, musste Quintus das Vertrauen der Seherin gewinnen. Er verhandelte viele Stunden mit ihr über unser Schicksal und überredete sie schließlich, uns gehen zu lassen. Ich weiß nicht – und es ist mir offen gesagt auch egal –, auf welche Weise er Veleda für uns gewinnen konnte. Wir verdanken ihm unser Leben. Es war das
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