Mord im Atrium
Gefangenschaft geraten war, würde ihnen als Ausrede dienen, sie zu ignorieren. Da sie ihre Zeit damit verbrachten, den alten Zeiten nachzutrauern, standen sie auch der jüngeren Generation, vertreten durch Veleda, feindselig gegenüber. Ich fragte sie, ob sie Söhne hätten. Ein paar bejahten, setzten aber hinzu, die würden in den Legionen dienen, und ich vermutete, falls diese Soldaten je nach Hause kamen, würde es Misstrauen und Familienstreitigkeiten geben.
Ich überlegte, von welcher Seite des Rhenus diese Krieger wohl ursprünglich stammten. Sie könnten sogar unterschiedlichen Stämmen angehört haben. Obwohl Nero am bekanntesten dafür geworden war, sich dieser rheinländischen Schutztruppe zu bedienen, war sie schon früher eingesetzt worden, von Augustus. Andere Kaiser und Generäle hatten sie ebenfalls für sich verpflichtet. Vespasian hatte dem ein Ende gemacht; nun hatte man den Kaiser als Vater seines Landes zu betrachten, zutiefst geliebt von seinem Volk. Herrschaft durch Bedrohung war Herrschaft durch Nötigung gewichen. Während man weiterhin auf schlechte Kaiser losgehen und sie erstechen würde, gaben wir alle vor, die Öffentlichkeit sei treu ergeben. Es war peinlich geworden, Ausländer zum kaiserlichen Schutz einzustellen, weil das durchblicken ließ, der Vater des Landes könne seinen eigenen Landsleuten nicht trauen.
Plötzlich zog einer dieser verblichenen Prahlhansel eine Münze heraus. Als hätte er gespürt, dass ich ihn und seine Kameraden als reichlich angestaubt betrachtete, klatschte er die Münze auf die Bretter vor mir. Typisch für die kaiserliche Propaganda, zeigte sie Nero auf einem Podium bei einer Ansprache vor drei militärisch gekleideten Gestalten, die ich für Mitglieder seiner germanischen Garde hielt. »Wir haben Geschichte geschrieben, Falco!«
»Darauf müssen Sie sehr stolz sein«, sagte ich und gab mich äußerst beeindruckt. Umgeben von diesen Lackaffen in einem öffentlichen Badehaus, hätte ich mich unwohl gefühlt. Diese übergewichtigen Ungeheuer machten mich nervös. Mir war aufgefallen, dass Männer in die niedrige Halle gekommen waren, in der wir hockten, und wieder verschwanden. Sie konnten Nachrichten weitergegeben haben, Verstärkung organisieren. Den ubischen Kellner sah ich nicht mehr. Vielleicht hatte jemand mich von dem Scharmützel erkannt, das ich mit den anderen aus ihrer Gruppe vor fünf Jahren ausgefochten hatte. Vielleicht erinnerte sich jemand, dass ich damals mehrere der Männer fertiggemacht hatte, die sich beim Haus eines gewissen Atius Pertinax als Schlägertrupp verdingt hatten. Sie hatten wie die Berserker gekämpft, aber ich hatte sie sterbend auf der Straße liegen lassen … Es war Zeit zu gehen.
Ich dankte ihnen für ihre Bereitschaft, mit mir zu sprechen, und machte mich davon. Zielbewusst strebte ich von dannen, aber nicht so rasch, dass Beobachter meine Nervosität bemerken konnten. Ich dachte, das sei mir gefahrlos gelungen. Ich wusste, dass die Dreckskerle mich verabscheuten, glaubte aber, sie hätten mich ziehen lassen.
Erst als ich langsamer wurde und mich allmählich entspannte, spürte ich, dass ich verfolgt wurde.
XIV
V erfolgt zu werden ist immer gefährlich. Ich unterschätze das Risiko nie. Egal, ob es gemeine Straßenräuber sind, die aus unbeleuchteten Gassen auftauchen, in der Hoffnung, irgendeinem beduselten, vollgefressenen Schwabbelbauch zu folgen und ihm die Geldbörse zusammen mit seiner feinsten leinenen Festmahlserviette abzuknöpfen, oder ob es Schläger sind, die speziell mir im Zusammenhang mit einem Fall nachschleichen, ich behandle sie alle wie potentielle Mörder. Missachten Sie nie den nur halb gesehenen Schatten, von dem Sie sich einreden, es sei nichts, sonst kann Ihnen sehr schnell das Messer eines Attentäters zwischen die Rippen flutschen. Dieser Karren, der da durch eine Straße schlingert, in der Karren normalerweise nichts anliefern, könnte einen Kutscher haben, der Sie über den Haufen fahren will. Das kaum vernehmbare Geräusch über Ihnen könnte ein Blumentopf sein, der versehentlich herabfällt – oder ein Topf, der mit der Absicht hinabgestoßen wurde, Ihnen den Schädel einzuschlagen. Es könnten auch drei Männer sein, die von einem Balkon auf Sie hinunterspringen.
»He, Falco!«
Noch bevor ich sie ausmachen konnte, wusste ich, dass ich von Germanen gejagt wurde. Ich erkannte den Akzent. Nicht die ehemaligen Leibwächter. Die Stimme gehörte einem jüngeren Mann. Bei dem
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