Mord im Atrium
erfolgreiche Bettler gehört, die ihr Handwerk so gut beherrschten, dass sie Millionäre wurden; Bettler, die das Belästigen als Geschäft betrieben und geheime Büros besaßen; Bettler, die sich jeden Abend in einer Sänfte heimtragen ließen, sich von ihren Lumpen und dem Dreck befreiten und wie Könige unter bestickten Bettdecken schliefen. Vielleicht waren alle Bettler so. Vielleicht besaß Rom, in dem die guten Bürger großzügige Wohltäter sind, überhaupt keine Obdachlosen. Vielleicht schickten im Winter reiche, freundliche Witwen alle Landstreicher in luftige Villen am Meer, wo ihre Haare geschnitten, ihre Wunden verarztet wurden und sie erbaulicher Dichtkunst lauschten, bis sie plötzlich geläutert waren und zustimmten, sich als Bildhauer und Lyraspieler ausbilden zu lassen … Ach Falco, du alter Romantiker.
Wir begannen am Stadtrand mit einer systematischen Durchsuchung einer Vielzahl großer Monumente. Die meisten lagen nahe an der Straße, um leichten Zugang für Bestattungen zu gewähren, wenngleich der Platz begrenzt war und man einige in größerer Entfernung hatte errichten müssen. Runde waren in der Überzahl, aber es gab auch rechteckige und pyramidenförmige. Die Ausführungen waren unterschiedlich, manche klein und niedrig, doch viele übermannshoch oder zweistöckig, mit einer unteren Kammer für die Toten und einer oberen, in der Familien Festmahle abhielten. Sie bestanden aus verwittertem grauem Stein oder verschiedenfarbigen Ziegeln. Manche hatten die Form von Öfen oder Brennöfen für Keramik, was auf die Berufe ihrer toten Besitzer hinwies. Klassische Architektur, Pilaster und Portiken kennzeichneten die Ruhestätten kultureller Großtuer; die Urnen für ihre verbrannten Überreste waren zweifellos aus erstklassigem Marmor, Alabaster oder Porphyr. Manche Grabstätten wiesen religiöse Ornamente auf, andere waren mit Statuen oder Büsten der Verstorbenen geschmückt, manchmal in Begleitung eines der Götter.
Clemens fand die ersten Überreste eines Lagerplatzes. Geschwärzter Bodenbewuchs ließ erkennen, wo ein kleines offenes Feuer gebrannt hatte, vielleicht sogar tagelang. Die Asche war kalt. Zerbrochene Amphorascherben und eine durchweichte alte Decke mit einem penetranten Geruch überzeugten uns davon, dass es sich nicht nur um die Überreste einer formellen Verbrennung oder der Gedenkfeier einer Familie außerhalb eines Mausoleums handelte. Wir setzten unsere Suche fort und stießen auf weitere Anzeichen dafür, dass Petro recht gehabt hatte. Um verschlossene Kammern war unerfreulicher Abfall entsorgt worden, vor allem im Eingangsbereich. Uralte Grabmäler, die nicht mehr von Verwandten der Toten besucht wurden, und neuere, deren Türen vor kurzem aufgebrochen worden waren, enthielten Beweise für Penner. Einige hatten als Abtritt gedient. Die schlimmsten waren völlig verdreckt, nachdem sie für beides benutzt worden waren.
Nachdem wir die Anzeichen erkannt hatten, traten wir an Eingängen nur noch vorsichtig auf. Wir hielten die Luft an, bevor wir uns bückten, um in offene Grabmäler zu schauen. Wir stocherten nur mit Stöcken in dem hinterlassenen Müll und hielten die Stöcke auf Armeslänge. Dort, wo wir Ratten vermuteten, waren wir besonders vorsichtig.
Clemens wurde als Erster fündig. Er rief und deutete auf eine dürre Gestalt, die in einiger Entfernung von uns wegzuckelte. Vermutlich ein Mann, in geflicktes Zeug gekleidet, vornübergebeugt und mit einer Art Sack über der Schulter. Ob er uns rufen hörte, war nicht zu erkennen, jedenfalls trottete er weiter und war schon zu weit weg, um ihm nachzujagen.
Das Licht schwand. Der Tag neigte sich dem Ende zu. So langsam, wie wir vorwärtskamen, würden wir bald Fackeln brauchen, die wir nicht mitgebracht hatten. Um Boden gutzumachen, teilten wir uns auf. Clemens übernahm die eine Seite der Straße, Sentius die andere. Ich ging ein Stück voraus, band den Esel an, um zu zeigen, wo ich angefangen hatte, und machte mich dann zu Fuß auf den Weg. Entschlossen, die Suche an diesem Tag so weit wie möglich auszudehnen, schlug ich ein rasches Tempo an. Ich warf einen Blick in Grabmäler, die leicht zugänglich waren, sah bei allen, an denen ich vorbeikam, auch kurz auf der Rückseite nach, egal, ob sie offen oder verschlossen waren, und kam zügig voran. Clemens und Sentius sollten zu gegebener Zeit mein Reittier holen und dann weiter vorne die Suche fortsetzen, damit wir in Schichten arbeiteten.
Sie holten mich nicht ein.
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