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Mord im Atrium

Mord im Atrium

Titel: Mord im Atrium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Ich kam schneller vorwärts als sie. Privatermittler lernen, sorgfältig vorzugehen, ohne Zeit zu verschwenden. In diesem Gelände hielt man sich nicht unnötig auf. Nur weil die Straße und die Grabmäler verlassen wirkten, musste das noch längst nicht der Fall sein. Man braucht nicht an Geister zu glauben, um sich unsichtbarer Anwesenheit bewusst zu sein. Zweifellos wurden wir beobachtet. Ich wartete nur auf den Augenblick, in dem wir herausfanden, wer es war und was sie wollten.
    Bei einem frostigen Grabmal, einer skurrilen Pyramide, führten geflieste Stufen nach unten in einen pechschwarzen Innenraum. Ich konnte mich nicht überwinden, hinter der quietschenden Tür weiterzugehen. Irrationale Angst, dass sie hinter mir zuknallen würde, hielt mich auf der Schwelle fest. Dieser einsame Ort hatte mich so nervös gemacht, dass ich laut rief: »Ist da jemand?«
    Niemand antwortete, aber mein Rufen war gehört worden. Als ich auf den Stufen kehrtmachte, um das Grabmal zu verlassen, wurde ich plötzlich angesprochen. Mit einer ungestümen Bewegung sprang jemand – oder etwas – in Weiß über mir auf dem Mausoleumsdach hoch. Der aufgescheuchte Unhold trug eine Kapuze, fuchtelte mit den Armen über dem Kopf, als ließe er geisterhafte Armreifen klirren. Ich erschrak derartig, dass mein Fuß auf dem feuchten Laub ausrutschte und ich schwer zu Boden fiel. Woraufhin die Gestalt ihren ungestümen Tanz fortsetzte und einen hohen, gespenstischen Schrei ausstieß.

XXIV
    D as herumhüpfende Gespenst verlangsamte seinen Tanz.
    »Hoo! Hoo! Lebst du, oder bist du tot?«
    »Ich bin stinksauer, verdammt noch mal!« Mit schmerzverzerrtem Gesicht richtete ich mich mühsam auf. Ich hatte mir den Fuß verknackst, als ich auf den gefliesten Stufen ausgerutscht war. »Hör auf, so rumzuzappeln.«
    »Hoo, hoo, und wer bist du?« Die schwache, brüchige Stimme klang wie Fledermausquieken.
    »Mein Name ist Falco. Wer zum Hades bist du?«
    »Im Hades, aus dem Hades … körperlos wandernd … der unbestattete Tote.« Irgendjemand hatte hier zu viel Vergil gelesen.
    »Wie du willst.« Ich war nicht in der Stimmung für übersinnliche Spinner. Wenn ich Schmerzen habe, neige ich dazu, pedantisch zu sein. »Sag mir, Geist, wessen Leichnam verkörperst du?«
    »Man nannte mich Zoilus.«
    Ich schloss die Augen. Ich bin ein vernünftiger Mensch. Ich hatte eine dringende Aufgabe zu erledigen. Die Furien schienen heute wirklich einen Groll zu hegen, wenn mich die boshaften – entschuldigen Sie, meine Damen, die freundlichen – hier festhielten, um mit einem Geist zu reden.
     
    Als ich mühsam hochkam, zuckte ich vor Schmerz zusammen. Vorsichtig hopste ich ein wenig herum, um mein Fußgelenk zu testen. Irgendwie war Zoilus’ Geist vom Grabmal heruntergesprungen und hüpfte vor mir auf und ab. Er wartete immer noch darauf, dass ich verängstigt reagierte, was ich ihm nach wie vor verweigerte. Zwielicht hatte eingesetzt. Durch irgendeinen Trick, den er beim Theater gelernt haben konnte, wirkte er überirdisch, taumelte in seinen flatternden leuchtend weißen Gewändern um mich herum. Nur eine bleiche Kugel, nahezu bar jeglicher Züge, verbarg sich unter der Kapuze, wo sein Gesicht hätte sein sollen. Dieser Geist war leichtfüßig, ja, er schien überhaupt keine Füße zu haben. Er hatte es geschafft, ein geschmeidiges Gleiten zu beherrschen, als würde er mehrere Zoll über dem Boden schweben.
    »Hoo! Hoo! Gib mir den Fahrpreis für Charon!« Das also war seine Masche. Gleich fühlte ich mich besser. Sein quiekender Ton war jetzt schmeichlerisch wie der jedes menschlichen Bettlers. »Hilf mir, den Fährmann zu bezahlen, Herr.«
    Er hatte sich mit seiner Geschichte mehr Mühe gegeben als die meisten Bittsteller, daher kramte ich eine Münze hervor und versprach sie ihm als Entgelt für die Fahrt über den Styx, wenn er mir erzählte, ob er eine Barbarin hätte herumwandern sehen, ohne Freunde und so einsam wie er. Er stieß einen schrillen Schrei aus. Ich fuhr zusammen. »Tod! Tod! Überbringer des Todes«, jammerte der bleiche Geist – ziemlich witzlos, wenn Zoilus bereits verstorben war.
    Konnte er von der Enthauptung des Gratianus Scaeva wissen? War der Mord in der Villa von Quadrumatus die brandaktuellste Nachricht in den düsteren Gefilden des Hades? War Scaevas Seele nach seinem gewaltsamen Tod sofort dorthin geflitzt, um sich empört zu beschweren? Waren die gelangweilten Geister jetzt alle zusammengelaufen, um diese Neuigkeit zu

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