Mord im Atrium
Schultern hoben sich, die Rückwand der Kutsche wölbte sich bei der Bewegung nach außen, dann sackte er wieder in seine Fettrollen hinab, und der Kutschrahmen seufzte vor Erleichterung. Das Zucken war beredsam – doch Grimassenschneiden und Schulterzucken überzeugen vor Gericht nicht.
»Zum Glück für Mastarna hatte der an dem Tag keinen Hausbesuch bei seinem Patienten gemacht.« Mit Blick auf Aedemons unverbindliche Miene fügte ich hinzu: »Hat er mir wenigstens erzählt.« Auch das nahm Mastarnas rundlicher Kollege kommentarlos hin. »Wurde er zusammen mit Ihnen allen herbeizitiert?«
Aedemon blieb vage. »Muss wohl so gewesen sein. Ich habe ihn jedenfalls dort gesehen, als wir uns versammelten.«
»Obwohl sein Patient tot war?«, wollte ich höhnisch wissen. »Jemand hatte wohl eine hohe Meinung von seinen wiederbelebenden Kräften.«
»Nun ja, keiner von uns glaubte, er könne Scaevas Kopf wieder annähen. Ich nehme an, den Sklaven wurde nur aufgetragen, rasch alle Ärzte zu holen. Aber Mastarna wird man gesagt haben, was passiert war.«
»Und dass er sein Einkommen verloren hatte?« Helena gab mir einen Rippenstoß. »Was halten Sie denn von Mastarna, Aedemon?«
»Ein tadelloser Mediziner.«
»Das behauptet ihr Ärzte alle voneinander. Selbst wenn eure Behandlungsmethoden genau entgegengesetzt sind.«
»Weil es die Wahrheit ist. Mastarna leistet gute Arbeit. Unterschiedliche Patienten benötigen unterschiedliche Heilmethoden. Unterschiedliche Menschen passen zu unterschiedlichen Spezialisten.«
»Und welche Methoden wendet er an? Er ist Etrusker. Also behandelt er mit Magie und Kräutern?«
Anscheinend gibt es im hippokratischen Eid eine Klausel, die besagt, kein Arzt dürfe je einen anderen kritisieren. Aedemon wurde sofort hitzig. »Oh, ich denke doch, dass Mastarna moderner ist. Etruskische Medizin hat natürlich eine lange Geschichte. Sie mag mit religiösen Heilungen begonnen haben, und das wiederum könnte bedeutet haben, Wurzeln und Kräuter zu sammeln, vielleicht bei Mondlicht, um die Pflanzen zu finden. Man sollte Volksmedizin nie verunglimpfen, denn sie ergibt in vieler Hinsicht einen Sinn.«
»Jedenfalls hilft sie Mastarna, Denarii einzusammeln. Haben Sie sein Haus gesehen?«, stachelte ich ihn auf.
Eine Unterklausel im Eid besagt, jeder Arzt, der glaubt, ein Konkurrent scheffle mehr Geld als er, könne ihn in diesem Fall doch beleidigen. »Patienten können sehr leichtgläubig sein.« Nach diesem kurzen Aufblitzen von Neid fing sich Aedemon rasch wieder. »Ich würde unseren Freund Mastarna als jemanden einschätzen, der von Theorie fasziniert ist. Seine Schule tendiert dazu, bei der Diagnose die allgemeine Krankheitsgeschichte zu verwenden …«
»Er ist Dogmatiker?«, fragte Helena.
Aedemon legte seine Zeigefinger aneinander und betrachtete sie darüber hinweg, als hielte er es für ungesund, wenn eine Frau Wörter mit mehr als zwei Silben benutzt. »Ich glaube schon.« Da Helena mit den medizinischen Schismen vertraut war, gab er dann zu: »Und ich bin ein Empiriker. Unser philosophisches Konzept genießt, wenn ich das so sagen darf, heutzutage das öffentliche Vertrauen. Aus sehr guten Gründen.« Das waren gute Nachrichten für Abführmittelverkäufer. Ich überlegte, ob die Hersteller von Abführmitteln die Schule der Empiriker finanziell förderten, die Gehälter der Empiriklehrer bezahlten und kostenlose Proben ausgaben … »Ich ziehe es vor, die speziellen Symptome des Patienten zu untersuchen, dann meine Empfehlungen auf seiner Krankengeschichte, meiner Erfahrung und, wenn angebracht, ähnlich gelagerten Fällen zu begründen.«
Für mich klang das nicht viel anders als Mastarnas Ansatz. Aber Helena erkannte Unterschiede. »Sie konzentrieren sich auf anatomische Kongestion und beziehen neueste Fortschritte in der Pharmakologie in Ihre Behandlung ein, er würde eher eine Operation befürworten?« Aedemon schaute verblüfft. Sie fuhr fort, als hätte sie nicht bemerkt, dass er beeindruckt war: »Ich fürchte, ich habe ihn sehr verstört mit meiner Andeutung, dass Dogmatiker das Sezieren Toter billigen. Tatsächlich hatten Marcus und ich aus selbstsüchtigen Gründen gehofft, dass Mastarna als Arzt des jungen Mannes Scaevas Leiche genauer untersucht hatte. Wir hofften, er könne uns von Verletzungen oder anderen wichtigen Faktoren berichten, die uns bei der Ermittlung helfen würden, wer den jungen Mann umgebracht hat. Mastarna teilte mir verärgert mit, post mortem
Weitere Kostenlose Bücher