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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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die?«, fragte Vitus. »Arnika huift a bei Schock.«
    Der Heilpraktiker sah ihn glupschäugig an und begann dann wortlos in seinem Rucksack zu wühlen.
    Orlowski bat Vitus, ihm zu folgen. Hinter einer Kurve standen auf einer kleinen Freifläche die Setzlinge. Dort bückte sich Orlowski. Vitus und Iris, die ihnen gefolgt waren, gingen in die Knie. Da lag er. Ein Finger, eindeutig. Verfaserter Stumpf, ansonsten bläulich-bräunlich. Vitus runzelte seine Stirn noch mehr.
    »Hat ihn jemand angefasst? Bewegt?«, fragte Iris.
    »Nein«, erwiderte Orlowski. »Katja hat ihn entdeckt, und dann mussten wir sie erst mal stabilisieren. Sie war etwas aufgeregt. Das arme Küken.«
    »Gut«, sagte Iris. »Es wird auch besser sein, wenn wir uns alle verzupfen. Wir sollten möglichst wenig Spuren hinterlassen.« Iris machte eine Pause. »Falls da noch mehr von dem Bergkameraden rumliegt.«
    Bernd Orlowski sah sie völlig konsterniert an. »Du meinst ...?«
    »Na, der Finger wird ja nicht vom Himmel gefallen sein.«
    Währenddessen war Vitus dem Pfad noch ein Stück gefolgt, man hörte ein paar Steinchen rieseln. Dann war seine Stimme zu hören. »Kemmts amoi aui!«
    Als Iris und Orlowski ihn erreicht hatten, war er wieder in die Hocke gegangen. Sein Blick war starr auf den Pfad gerichtet.
    Diesmal entfuhr Iris ein Laut, der tief aus der Kehle kam. Ihr wurde übel. Orlowski jaulte auf und erbrach sich dann ins Krüppelholz.
    Das Ohr, das da lag, war ebenfalls menschlichen Ursprungs, und aus unerfindlichen Gründen war es weit widerlicher als der Finger. Ein Ohr, bläulich-bräunlich mit Blutkruste an der Abrissstelle.
    »Hast du ein Handy dabei?«, fragte Iris, sobald sie sich gefasst hatte.
    Vitus nickte. Der Netzempfang war sogar sehr gut, und so alarmierte er die Polizei.

2
    Kathi und Irmi trafen fast gleichzeitig in Krün ein. Irmi hatte eine Art Déjà-vu. Letztes Jahr hatte sie sich mit Kathi auch am Fuße eines Berges getroffen, damals war es Frühjahr gewesen an der halb geschmolzenen Kandahar-Piste, heute war ein warmer Spätsommertag.
    Zog es die Verbrecher neuerdings hinauf in die Berge? Oder lagen die vermehrten Bergeinsätze einfach daran, dass mittlerweile große Teile der Menschheit dorthin pilgerten, wo vor noch gar nicht so langer Zeit nach dem Volksglauben böse Geister gehaust hatten? Auffi mussten sie, mit immer exaltierteren Fortbewegungsmitteln waren sie unterwegs – und ab und an verloren sie wohl auch mal Körperteile. Was war das denn schon wieder für eine seltsame Geschichte?
    »Servas!« Kathi klang heute besonders tirolerisch, was sie sonst zu unterdrücken versuchte, aber hier in Krün war man der Grenze ja schon sehr nahe. Vielleicht färbte das ab.
    Sailer und die neue junge Kollegin Andrea hatten beim Sägewerk Position bezogen, ein verbeulter Pick-up der Waldarbeiter stand bereit, um sie bergwärts zu befördern. Irmi hatte schon fast befürchtet, man würde sie zum Mountainbiken nötigen. Und zu Fuß zogen sich die sieben Kilometer auf die Fischbachalm auch ziemlich. Ein Schild besagte, dass Fischbachalm und Soiernhaus geöffnet hatten, nur würde das wohl kein netter Almenausflug werden.
    Ein Forstarbeiter fuhr den Wagen, Irmi hatte den Beifahrersitz bekommen, Sailer, Andrea und Kathi klemmten auf der Notbank im Fond. Irmi kannte die Fischbachalm, ein herrliches Plätzchen. Umrundet von den schroffen Spitzen der Soierngruppe, lag sie wie in einer weiten Suppenschüssel mitten in den Bergen und doch anmutig auf einem relativ weiten Wiesengrund. Ein Idyll, eigentlich.
    Heute aber war alles anders. Auf der Alm hatte sich eine Gruppe Menschen versammelt, die Irmi mit ihrem geschulten Blick rasch erfasste. Ein völlig verheulter Pummel Anfang Dreißig, eine dürre Frau mit einem schrecklichen Orangeton in den Haaren, der sie noch blasser machte, als sie ohnehin schon war. Ein Mann Mitte vierzig mit angegrautem Pferdeschwanz, was Irmi bei Männern über fünfundzwanzig prinzipiell grauenvoll fand. Eine ältere Dame mit wachen Augen. Ein kleiner Mann Ende fünfzig mit akkuratem Haarschnitt, sündhaft teuren Trekkingklamotten und einer DAV-Weste sowie drei Holzarbeiter. Etwas abseits und grimmig dreinblickend lehnte ein schlanker älterer Mann an einem Maultier. Mit seinem Rauschebart sah er aus wie die Topbesetzung für einen Milka-Werbespot. Wären Maultier und Haflinger lila gewesen.
    Kaum trafen Irmi und Kathi ein, redeten alle durcheinander. Es brach ein Tumult los, den Kathi mit einem scharfen

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