Mord im Dirnenhaus
aber es musste sein. Ich weiß nicht, ob das Stück, das du gegessen hast, vergiftet war. Aber wenn …»
Griets Gesicht war gerötet, in ihren Augen standen Tränen, die sie jedoch tapfer wegblinzelte. Sie blickte Adelina jedoch vorwurfsvoll an. Dann stand sie plötzlich auf und streckte ihre Arme nach ihr aus.
Adelina war überrascht, zog das Mädchen jedoch fest in ihre Arme. Griet presste ihr Gesicht an ihren Bauch und klammerte sich an ihrem Rock fest. So standen sie eine geraume Weile. Franziska begab sich eilig ins Haus, um in der Küche zu helfen. Vitus’ lautes Jammern und Heulen war deutlich zu vernehmen.
«Komm, wir gehen auch wieder hinein.» Adelina löste Griets Hände von ihrem Rock und führte sie ins Haus. «Möchtest du dich ein bisschen hinlegen?»
«Ja.» Griet schniefte. «Nein … Ja.»
In diesem Moment kam Neklas auf sie zugestürzt. «Was ist geschehen?» Seinem alarmierten Tonfall war zu entnehmen, dass Ludowig ihn bereits in groben Zügen über den Vorfall ins Bild gesetzt hatte.
«Gleich.» Adelina schob ihn beiseite und brachte Griet hinauf in die Dachkammer. Das Mädchen kroch unter die Bettdecke und schniefte erneut. «Mein Bauch tut weh.»
«Ich weiß. Meiner auch. Das kommt von dem Brechmittel», erklärte Adelina, obwohl ihre eigenen Schmerzen natürlich anderer Art waren. «Das geht gleich vorbei. Ich habe Mira nach frischem Wasser geschickt. Davon mache ich dir einen Kräuteraufguss mit Honig. Ruh dich solange aus, ja?»
Hinter ihr spürte sie Neklas’ ungeduldige Blicke. Auf der Stiege wurden polternde Schritte laut. Im nächsten Moment kam Franziska herein. «Soll ich mich um Griet kümmern, Herrin?»
«Ja, tu das bitte.» Adelina nickte dankbar, strich Grietnoch einmal über die Wange und eilte dann wieder die Treppe hinab. Vor ihrer Schlafkammer machte sie Halt und drehte sich zu Neklas um, der ihr auf dem Fuß gefolgt war. «Sie …» Adelina suchte nach Worten. «Das Konfekt, Neklas! Es war vergiftet. Ich glaube, es war vergiftet. Ich habe Griet und Vitus Brechmittel gegeben.» Mit einem Mal fühlte sie sich vollkommen schwach und ausgelaugt.
«Komm.» Neklas zog sie in seine Arme, und nun klammerte sie sich an ihm fest. «Es ist ja gut», raunte er.
Doch sie schüttelte den Kopf und presste dann ihr Gesicht an seine Schulter. Der typische, leicht metallische Geruch seines Mantels wirkte beruhigend und tröstlich.
«Ich hätte sie beinahe alle vergiftet!»
«Nein, das hättest du nicht.»
«Ich hätte das Konfekt noch einmal überprüfen sollen.»
«Du konntest nicht wissen, dass etwas damit nicht in Ordnung war.»
«Jemand muss die vergifteten Stücke heimlich untergemischt haben.» Adelina hob den Kopf und sah ihn alarmiert an. «Jemand war im Haus und hat die vergifteten Stücke in die Schüssel gemischt!»
Neklas nickte grimmig. «Das fürchte ich auch.» Er legte Adelina einen Arm um die Schulter und führte sie in die Schlafkammer, schloss die Tür und drängte sie zum Bett. «Setz dich, du bist ganz blass.»
«Ich kann jetzt nicht. Vitus …»
«Magda kümmert sich um ihn.» Erregt ging Neklas im Raum auf und ab. «Ich fürchte, wir haben da in ein verdammtes Wespennest gestoßen. Ich war eben auf dem Weg zur Weckschnapp, als ich Georg Reesebegegnete. Offenbar war unser Verdacht berechtigt. Mathys van Kneyart ist heute früh in seinem Haus festgesetzt worden. Man hat einen Boten abgefangen, der mit einer Botschaft Hilger Quattermarts an van Kneyart unterwegs war. Aus dem Schreiben scheint eindeutig hervorzugehen, dass Mathys schon seit langem mit ihm korrespondiert.»
«Haben sie ihn zu Turme gebracht?»
«Davon gehe ich aus. Sein Pakt mit Hilger wird ihm als Hochverrat ausgelegt werden. Darauf steht der Tod.»
Adelina nickte und sah zu Boden. «Ich hätte nicht gedacht, dass der Rat doch noch so entschlossen handelt. Nicht während der Verhandlungen mit dem Erzbischof.»
«Gerade während der Verhandlungen», widersprach Neklas und blieb stehen. «Je mehr Einigkeit sie zeigen, desto entschlossener können sie auftreten. Der Erzbischof ist nicht dumm. Wenn er für sich den Anschein, das Stadtoberhaupt von Köln zu sein, aufrechterhalten und seinen Einfluss nicht gänzlich verlieren will, tut er gut daran, sich weiterhin auf die Seite des Rates zu schlagen. Die Kölner sitzen am längeren Hebel.»
«Und er wird weiterhin von Bonn aus herüberblicken und mit seinem Schicksal hadern?» Adelina zog skeptisch die Nase kraus. Neklas ging weiter im
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