Mord im Dirnenhaus
Zimmer auf und ab. «So grausam ist sein Schicksal nicht, will ich meinen. Immerhin wird die Stadt ihm für sein Wohlwollen sicherlich eine stattliche Summe zum Ausgleich zahlen. Ein geringer Preis für die Unabhängigkeit. Und wenn dem Erzbischof danach ist, kann er weiterhin nach Herzenslust Streit anfangen und Widersacher exkommunizieren.»
Erstaunt hob Adelina den Kopf. «Soll denn jemand exkommuniziert werden?»
«Bisher nicht», schmunzelte Neklas und ließ sich neben ihr nieder. «Noch gibt es dazu keinen Anlass. Der Rat ist zufrieden, Erzbischof Friedrich ist zufrieden, oder wird es sein, wenn er sein Geld bekommt … und ich werde froh sein, wenn diese Angelegenheit endlich bereinigt ist. Mathys wird seiner gerechten Strafe zugeführt, und diese Sache heute wird ihm vermutlich den Rest geben.»
«Dann bist du sicher, dass er es war, der das vergiftete Konfekt ins Haus brachte?»
«Ganz sicher», bestätigte er. «An jenem Tag, als er dir die Süßigkeiten vor die Füße warf. Du warst verwirrt, ich war erbost. Wer hätte schon darauf geachtet, ob das Konfekt manipuliert war? Er ist ein Risiko eingegangen, aber kein sehr großes.»
«Er hat in Kauf genommen, dass der gesamte Haushalt an dem Gift stirbt!» Erregt und aufgewühlt stand nun Adelina auf und machte ein paar unsichere Schritte. «Er musste doch davon ausgehen, dass, wenn wir das Konfekt nicht wegwerfen würden, alle im Haus die Gelegenheit hätten, davon zu essen. Auch die Kinder. So war es ja auch.» Sie schauderte. «Neklas, auch ich habe vorhin davon gegessen. Wenn ich eines der vergifteten Stücke genommen hätte …»
«Sprich nicht mehr davon.» Neklas trat neben sie, und sie sah, wie blass er geworden war. «Wir haben Glück gehabt, dass du so geistesgegenwärtig gehandelt hast. Und gleich morgen werden wir die Sache vor den Schöffen zur Anklage bringen.»
«Das müssen wir.» Adelina hielt inne. «Warum hat er das wohl getan? Für Geld?»
«Ein Grund, der schon viele vor ihm ins Verderben gerissen hat. Aber was ihn letztlich zu seinem Verrat bewegt hat, werden wir möglicherweise nie erfahren. Es sei denn, die Verhandlung wird öffentlich gemacht. Doch vermutlich werden wir nur die Hinrichtung miterleben.»
«Vermutlich.» Adelina öffnete die Tür. «Ich werde sie mir nicht ansehen.» Sie wandte sich noch einmal zu ihm um. «Sind wir jetzt also wieder in Sicherheit?»
Neklas hob die Schultern. «Davon ist auszugehen.»
«Wird Thomasius dann auch Ruhe geben?»
«Niemals.» Neklas lächelte spöttisch. «Er wird uns wohl noch eine Weile erhalten bleiben.»
«Dann lässt du deine Bücher also auch in ihrem Versteck?» Adelina ging langsam zur Treppe und hörte, wie Neklas ihr folgte.
«Dort sind sie besser aufgehoben als irgendwo sonst.»
Auf der obersten Stufe blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um. «Wo hast du sie hingebracht?»
Wieder lächelte Neklas, diesmal jedoch einigermaßen verschlagen. «An einen Ort, wo nicht einmal der Erzbischof sie suchen würde.»
Adelina starrte ihn so verblüfft an, dass sich sein Lächeln zu einem Grinsen verbreiterte. «Es sei denn, er käme auf den Gedanken, den Kehricht unter seinem eigenen Fußabtreter hervorzuklauben.» Sie schluckte und schüttelte den Kopf. «Du hast doch nicht etwa …?» Sie fasste sich stöhnend an den Kopf. «Hast du sie im erzbischöflichen Palast versteckt?»
Er schwieg und grinste noch immer.
Adelina konnte es nicht fassen. «Ich dachte, du seiest nach Bonn geritten. Wie …?»
«Das bin ich auch. Mit einem Sack voller Holzscheite. Nachts kam ich zurück und brachte die Bücher in Doctore Bertinis Haus. Und von dort am nächsten Tag in den Palast des Erzbischofs. Du erinnerst dich vielleicht, dass ich dir erzählte, bei meiner Ankunft in der Stadt im vergangenen Jahr habe mich ein Legat des Erzbischofs empfangen. Es traf sich, dass der Mann an Gicht und Verdauungsstörungen litt, die ich seit einigen Monaten schon behandle. Es war also nicht weiter schwierig, mir Zutritt zu verschaffen. Und du musst zugeben, dass es kein besseres Versteck gibt als die Bibliothek des Erzbischofs selbst.»
«Du bist wahnsinnig!» Adelina verschränkte die Arme vor dem Leib und marschierte die Treppe hinab. «Vollkommen wahnsinnig», murmelte sie vor sich hin.
Neklas antwortete nicht darauf, doch sie spürte sein Grinsen geradezu im Nacken, und sie argwöhnte, dass er ihr einige Details der Angelegenheit verschwieg. So einfach kam man nicht in die Bibliothek des
Weitere Kostenlose Bücher