Mord im Dirnenhaus
– sowie mit Abbildungen der einzelnen zur Zunft gehörenden Gewerbe verziert waren.
«Setzt Euch.» Leuer schob ihr einen Stuhl zurecht. Adelina nickte den anwesenden Zunftmitgliedern zu und wandte sich dann wieder Leuer zu. «Was ist denn der Grund für Eure Einladung?»
Leuer setzte sich an den Kopf des Tisches und schob ein paar Papiere hin und her, die vor ihm verstreut lagen.
«Es geht um die Neubesetzung der Lehrstellen bei den anwesenden Apothekern sowie die Verteilung der Lehrlinge des verstorbenen Kaufmanns Anton Keppeler.» Er bekreuzigte sich flüchtig, bevor er fortfuhr. «Normalerweise hätte diese Sitzung noch Zeit bis Oktober gehabt, doch durch den tragischen Todesfall mussten wir die Sache leider vorziehen. Die Beerdigung wird im Übrigen am Dienstagvormittag stattfinden, mit einer heiligen Messe in St. Brigiden, die der Abt des Klosters Groß St. Martin höchstpersönlich abhalten wird. Die Beisetzung erfolgt in der Familiengruft der Familie Keppeler. Ich habe bereits alles veranlasst.» Wieder raschelte er mit den Papieren. «Nun ist es so, dass Keppeler vier Lehrlinge im Alter von zehn bis sechzehn Jahren hatte. Diese», nun wandte er sich an zwei der anwesenden Kaufmänner, «müssen umgehend neue Lehrstellen erhalten, insbesondere, da die Eltern sehr einflussreiche Bürger sind. Ich möchte daher bitten, dass Ihr, Herr Engelbrecht, und Ihr, Herr van Linden, Euch der Jungen annehmt.»
Engelbrecht, ein hagerer grauhaariger Mann mittleren Alters, schüttelte den Kopf. «Ich kann höchstens einen nehmen, und wenn, dann einen von den älteren. Ich habe selbst fünf Lehrbuben, viel mehr bekommen wir in unserem Haus nicht unter.»
Leuer nickte. «Nun gut, dann nehmt den Peter. Er wird, wenn alles gutgeht, in einem Jahr die Gesellenprüfung ablegen.»
«Das ist ja gut und schön», unterbrach nun van Linden den Zunftmeister. Er war ein großer, beleibterWeinhändler, dessen mächtige Hängebacken beinahe seinen Hals verbargen. «Aber dann bleiben noch immer drei Lehrlinge übrig. Das ist mir zu viel. Zwei höchstens. Wisst Ihr nicht, wie teuer einen dieser Tage die Versorgung von Lehrbuben kommt? Meine beiden wachsen ständig aus ihren Kleidern heraus, kaum, dass wir ihnen neue gekauft haben. Und sie fressen mir die Haare vom Kopf. Gibt es keine anderen freien Stellen?»
Bedauernd schüttelte Leuer den Kopf. «Ich habe schon überall herumgefragt. Allerdings wäre es möglich, wenn Ihr tatsächlich zwei Jungen nehmt, dass der dritte zunächst in meinen Haushalt kommt, wenigstens vorübergehend. Möglicherweise kann er dann später einem anderen Kaufmann zugesprochen werden oder aber in einem anderen Gewerbe unterkommen.»
Diesmal nickten die beiden Kaufleute zustimmend, sodass Leuer erleichtert aufatmete. «Also gut, ich werde die erforderlichen Papiere ausstellen und veranlassen, dass die Jungen nach der Beerdigung zu Euch gebracht werden. Nun zu den neuen Lehrlingen für das Apothekerhandwerk.» Er wandte sich an Adelina und ihre beiden männlichen Kollegen. «Es gibt zwei Bewerbungen. Die eine ist für einen elfjährigen Jungen aus Porz, der Vater ist Küfer, aber der Junge ist ein jüngerer Sohn und kann im elterlichen Betrieb nicht unterkommen. Ich dachte dabei an Euch, Meister Lehbert.» Leuer sah den noch recht jungen Apotheker an, der sein Geschäft als einziger nicht am Alter Markt, sondern in der Nähe des Waidmarktes hatte. Dieser nickte erfreut, und Leuer sprach weiter: «Bei der zweiten Bewerbung gibt es ein Problem. Es handelt sich um ein ebenfalls elfjähriges Mädchen. Sie heißt Mira von Raderberg …»
«Raderberg? Etwa eine Adelige?», unterbrach Meister Winkler, Adelinas größter Konkurrent, und zupfte sich aufgebracht an seinem spitzen grauen Kinnbärtchen, das ihn, zusammen mit seinem langen Gesicht, wie einen Ziegenbock aussehen ließ. «Seit wann gibt der Adel seine Kinder bei uns in die Lehre?»
Beschwichtigend hob der Zunftmeister die Hand. «Es ist die Tochter eines dritten oder vierten Sohnes der von Raderbergs. Und noch dazu eine nachgeborene. Sie hat acht lebende ältere Geschwister. Der Vater ist vor einiger Zeit verstorben, die Mutter hat sich neu verheiratet, und der Stiefvater wollte das Mädchen zunächst, wie üblich, ins Kloster geben. Zu den Zisterzienserinnen oder Dominikanerinnen, was weiß ich. Die Mutter hat sich aber gesträubt. Für alle anderen Kinder haben sich bereits Heiratskandidaten gefunden, und jedes bekommt eine Mitgift. Und nun hat sie es
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