Mord im Dirnenhaus
verzog höhnisch die Mundwinkel. «Wahrscheinlich habt Ihr Eure Nase mal wieder zu tief in anderer Leute Angelegenheiten gesteckt. Wird Zeit, dass man Euch das lose Mundwerk stopft und Euch zeigt, wo Euer Platz ist.»
«Also, das ist ja wohl …», begann Adelina empört. In diesem Moment kam Franziska in ihren schweren Holzpantinen um die Hausecke geklappert. Als sie Adelina und die drei Soldaten sah, blieb sie wie angewurzelt stehen.
«Herrin, ist etwas? Kann ich Euch helfen? Belästigen diese Kerle Euch etwa?» Sie wischte sich fahrig die schmutzigen Hände an ihrer Schürze ab. «Ich kann Ludowig holen. Ludowig!», schrie sie über die Schulter, bevor Adelina sie davon abhalten konnte. Einen Augenblick später kam der bullige Knecht herangepoltert.
«Was gibt es, Franziska?»
«Ludowig, ich glaube, unsere Herrin braucht Hilfe, sie …»
«Franziska!» Adelina hob beschwichtigend die Hände. «Es gibt keine Probleme. Diese Männer», sie wies mit dem Kinn auf die Soldaten, ohne sie jedoch einesBlickes zu würdigen, «haben mich nur gebeten, sie zum Rathaus zu begleiten, weil ich einige Fragen beantworten soll.» Sie gab ihrer Stimme einen kühlen, gelassenen Ton, damit sich ihre Magd nicht noch mehr aufregte. Ihr Magen zog sich jedoch vor Nervosität zusammen. Dass ausgerechnet Greverode sie abholen sollte, schien ihr nichts Gutes zu bedeuten. Dennoch legte sie ihrer Magd beruhigend eine Hand auf die Schulter. «Ich werde rasch mit hinüber zum Rathaus gehen. Sieh zu, dass Vitus derweil nichts anstellt und mein Vater gut versorgt ist. Und kümmere dich darum, dass Magda das Abendessen aufsetzt. Ich habe zwei frisch geschlachtete Hühner vorbereitet.» Dann wandte sie sich wieder an Greverode, der mit mürrischer Miene zugehört, sich jedoch angesichts des kräftigen Knechts zurückgehalten hatte. «Ich werde Euch nun zum Rathaus begleiten, möchte Euch jedoch bitten, mich nicht wieder anzufassen, Herr Greverode. Ich bin Meisterin der Zunft Himmelreich, und als solche habe ich ein Recht auf den angemessenen Respekt.»
«Respekt, pah.» Greverode spuckte neben ihr aus. Doch Adelina machte nur einen Schritt zur Seite und ging dann hocherhobenen Hauptes voran in Richtung Judengasse. Da ihnen nichts anderes übrig blieb, folgten ihr die drei Soldaten nach, ließen jedoch ihre Sporen und die Schwerter an ihren Hüften bei jedem Schritt besonders auffällig klirren. Adelina biss sich vor Ärger, aber auch vor aufkeimendem Unbehagen auf die Lippen. Sie bemühte sich jedoch, sich nichts anmerken zu lassen, als sie das Rathaus erreichten und Greverode sie in eine der kleinen Ratsstuben im Erdgeschoss führte.
«Wartet hier», bellte er und schloss hinter ihr dieTür. Als sie hörte, wie er den Schlüssel im Schloss drehte und den Riegel vorlegte, verzog sie besorgt das Gesicht und sah sich in dem kleinen Zimmerchen um. Es gab nur ein kleines Schreibpult, dahinter einen Stuhl mit hoher Rückenlehne und zwei Hocker. Unter dem vergitterten Fensterchen, durch das ein paar Strahlen der späten Nachmittagssonne schienen, befand sich eine verschlossene Lade. Der Steinfußboden war kahl, jedoch sauber gefegt. Seufzend ließ sich Adelina auf einen der Hocker sinken.
Sie musste lange warten. Im Haus war es sehr still, und die Zeit kroch nur langsam voran. Als die Sonne bereits seit einer Weile hinter den Gebäuden verschwunden war und es im Zimmer langsam dämmerig wurde, überlegte sie, ob sie sich bemerkbar machen sollte. In diesem Moment setzte das Abendläuten von Groß St. Martin ein. Die Glockenschläge dröhnten über den Marktplatz und die Judengasse hinweg und vermischten sich mit denen der anderen Kirchen im nahen und weiteren Umkreis. Adelinas Unbehagen wandelte sich in Zorn. Wollte man sie etwa die Nacht über hier eingesperrt lassen? Sie sprang auf und hämmerte gegen die Tür. Doch weder dies noch ihre Rufe erzeugten eine Reaktion. Es schien, als sei niemand außer ihr im Rathaus. Wutentbrannt durchmaß sie die winzige Ratsstube und blickte zum Fenster hinaus. Alles, was sie sah, waren kleine Hintergärten und die Rückseiten der umliegenden Gebäude. Rufen würde hier überhaupt nichts bringen. Außerdem hielt sie es für unklug, zu großes Aufsehen zu erregen, bevor sie überhaupt wusste, weshalb man sie festgesetzt hatte.
Von ihrer Magengrube stieg ein unbehagliches Gefühl auf, das sie jedoch gleich zu unterdrücken versuchte.Schließlich hatte sie sich absolut nichts vorzuwerfen. Langsam ließ sie sich
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