Mord im Dirnenhaus
wieder auf den Hocker sinken. Und wartete.
Im Zimmer wurde es immer finsterer, und es gab nicht einmal eine Kerze oder ein Tranlicht. Dann, endlich, hörte sie die Rathaustür gehen und Georg Reeses aufgebrachte Stimme.
«Ihr habt sie die ganze Zeit warten lassen, Mann? Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?» Die Türklinke wurde heruntergedrückt. «Und eingeschlossen habt Ihr sie auch noch?»
«Wurde mir von Mathys van Kneyart so angeordnet», erwiderte Greverode mit gleichgültiger Stimme. Adelina sprang von ihrem Hocker auf, als sich nun endlich der Schlüssel im Schloss drehte und die Tür aufsprang. Reese ging mit ausgebreiteten Armen und um Verzeihung heischender Miene auf sie zu. «Frau Adelina, es tut mir ja so schrecklich …»
«Wie könnt Ihr es wagen?», fauchte sie zurück und stemmte die Hände in die Hüften. «Ich sitze seit Stunden hier wie eine Gefangene. Und ich weiß noch nicht einmal, was man mir vorwirft. Dieser, dieser …» Sie warf Greverode einen vernichtenden Blick zu, den er jedoch nur achselzuckend zurückgab. Er hängte eine brennende Öllampe in die dafür vorgesehene Wandhalterung und ging davon. «Er hat mich behandelt wie eine Angeklagte. Also will ich jetzt auch wissen, wessen ich angeklagt bin.»
«Aber meine Liebe, niemand klagt Euch an.» Reese ließ einigermaßen hilflos die Arme sinken. «Greverode hatte nur den Auftrag, Euch hierher zu bringen. Dass Ihr so lange warten musstet, war nicht geplant. Aber der Erzbischof ist ganz unerwartet in die Stadt gekommen ,und ich musste als Ratsabgeordneter bei seinem Empfang dabei sein. Nun ja, und natürlich solltet Ihr keinesfalls eingesperrt werden.» Er hob entschuldigend die Schultern. «Greverode hatte da genaue Anweisungen von mir. Anscheinend hat Mathys van Kneyart, der Vetter des Verstorbenen, ihm diesbezüglich andere Befehle gegeben. Greverode ist zwar als Offizier der Stadtsoldaten ein ausgezeichneter Mann, aber was sein Verhältnis zur Obrigkeit anbelangt, ist er leider wie ein Fähnchen im Wind.»
«Er kann mich nicht ausstehen.» Adelina runzelte, noch immer verärgert, die Stirn. Reese nickte. «Das habe ich gemerkt. Mag sein, dass das den Ausschlag für diese Behandlung gab. Es tut mir wirklich leid. Es ist nur so, die Sache ist sehr vertrackt, und wahrscheinlich hat Mathys Euch bereits als entlarvte Mörderin gesehen.»
«Als was bitte?» Entsetzt starrte Adelina den Ratsherrn an. Beschwichtigend hob Reese die Hand. «Wartet, bis ich Euch alles berichtet habe. Es ist nämlich so, wir haben herausgefunden, worin der Eisenhut versteckt war.» Er fasste unter seinen Ratsherrenmantel und zog eine kleine hölzerne Schachtel hervor. «Kennt Ihr dies?»
Adelina klappte vor Verblüffung die Kinnlade herab. «Das ist eine meiner Schachteln. Ich verkaufe darin mein Konfekt. Meister Schuller, der Tischler, fertigt sie mir an.»
Wieder nickte Reese. «Sehr richtig. Und auf dem Deckel ist Euer Namenszeichen eingeritzt. Also ist eine Verwechslung absolut ausgeschlossen. Ihr habt mir kürzlich selbst ein solches Kästchen verkauft.» Er klappte die Schachtel auf und hielt sie schräg, sodass Adelinaden Inhalt – Zuckerkonfekt und kandierte Früchte – sehen konnte. «Nein, fasst es nicht an. Zumindest ein Teil davon ist vergiftet. Der Straßenköter, dem wir davon gegeben haben, war hinterher kein schöner Anblick.»
«Ihr wollt mir erzählen, dass das Gift in meinem Konfekt war? Wie soll es wohl da hineingekommen sein?» Immer noch ungläubig starrte Adelina auf die Süßigkeiten.
«Das gilt es nun herauszufinden. Aber glaubt mir, ich bin klug genug, um nicht anzunehmen, dass Ihr es selbst hineingetan habt. Leider sind verschiedene Leute anderer Meinung. Doch da es keinerlei Beweise oder Zeugen für Eure Schuld gibt …»
«Meine Schuld?»
«… sollten wir nun versuchen, den Hergang der Tat zu rekonstruieren, nicht wahr?»
«Woher habt Ihr die Schachtel überhaupt?», unterbrach ihn Adelina.
«Eine der Hübschlerinnen, die, bei der van Kneyart vor seinem Tode zu Besuch war, hat in der Befragung davon gesprochen.»
«Elsbeth.»
Reese hob überrascht die Brauen, ging jedoch nicht auf Adelinas Einwurf ein. «Sie schwor Stein und Bein, er habe ihr das Konfekt als Geschenk mitgebracht. Und da wir nicht annehmen, dass eine wie die sich auch nur einen Happen Eurer Süßigkeiten leisten kann, müssen wir davon ausgehen, dass sie die Wahrheit sagt. Jedenfalls so lange, bis wir herausfinden, dass jemand anderer ihr
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