Mord im Dirnenhaus
das Konfekt gegeben hat.»
«Dann hätte van Kneyart also das Gift selbst mitgebracht?», zweifelte Adelina.
«Wir müssen, wenn es so war, davon ausgehen, dass ernicht wusste, dass das Konfekt Gift enthielt», fuhr Reese fort. «Dann würde sich allerdings die Frage stellen, wer es ihm untergeschoben hat. Oder aber er wusste es und wollte selbst jemanden damit töten.»
«Und hat es dann selbst gegessen? Sehr unwahrscheinlich.» Adelina schüttelte den Kopf.
«Nun gut, Ihr seht es wie ich.» Reese klappte das Kästchen wieder zu und stellte es auf den Tisch. «Stellen wir uns also erst einmal die wichtigste Frage: Wie ist er an das Konfekt gekommen? Hat er es bei Euch gekauft?»
«Wahrscheinlich. Er war seit langem Kunde bei mir. Er, seine Schwester, sein Vetter übrigens auch. Doch Frau Entgen kam am häufigsten.»
Reese runzelte die Stirn. «Wer sonst noch? Ich meine, wer vom Stadtrat oder von den reichen Patriziern?»
Adelina hob die Schultern. «Etliche. Wenn Ihr einzelne Namen wollt, müsste ich überlegen und Euch eine Liste schreiben.»
«Vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee. Ihr haltet es also für möglich, dass er das Konfekt selbst bei Euch gekauft hat?»
«Sogar für ziemlich sicher», stimmte Adelina zu.
Reese zog seinen Mantel aus und legte ihn auf einen der Hocker. «Wann könnte das gewesen sein?»
Adelina überlegte einen Moment. «Ich weiß es nicht genau. Vor zwei Wochen vielleicht? Ich glaube, da war er zum letzten Mal bei mir in der Apotheke.»
«Zwei Wochen. Zeit genug, das Konfekt zu vergiften.» Reese öffnete die Schachtel erneut und nahm ein mit Zucker überzogenes Stück heraus. «Seht!» Er hielt das Konfekt so gegen das Licht der Öllampe, dass man die Unterseite sehen konnte. «Es scheint, als habe es jemand aufgebohrt und dann, nachdem er das Gifteingefüllt hat, den Zuckerüberzug geschmolzen und wieder gleichmäßig darüber verteilt.»
Adelina legte den Kopf auf die Seite. «Und das soll die alte Ludmilla getan haben?»
«Warum nicht? Man benötigt dazu nur ein Messerchen und eine Kerzenflamme.»
Adelina schüttelte heftig den Kopf. «Man benötigt dazu Eisenhutessenz. Denn das Kraut selber könnte man niemals in ausreichender Menge in das Konfekt bekommen. Man müsste es vermahlen und …»
«Sie könnte diese Essenz also nicht herstellen?», hakte Reese nach. Adelina zuckte mit den Schultern. «Vermutlich könnte sie einen Sud kochen. Eine Essenz kann man jedoch nur in einem Laboratorium herstellen.»
«In einem wie dem Euren?»
Adelina starrte ihn erschrocken an, doch Reese winkte bereits ab. «Laboratorien gibt es viele. Ludmilla könnte den Eisenhut dennoch gesammelt haben, auch wenn ein anderer ihn dann verarbeitet hat. Das bringt uns aber nicht weiter, denn die Alte schweigt wie ein Grab. Wir suchen also jemanden, der mit der Herstellung von Eisenhutessenz vertraut ist oder aber jemanden kennt, der darin bewandert ist. Und dann ist die nächste Frage, wie derjenige das Konfekt vergiften oder aber gegen vergiftetes austauschen konnte, ohne dass es auffiel.»
«Dazu solltet Ihr Euch fragen, wer ein Interesse an van Kneyarts Ableben hatte», erwiderte Adelina.
«Ich weiß. Genau das gilt es …»
«… herauszufinden, ja.» Adelina machte einen Schritt auf die Tür zu. «Ich denke, es ist nun für mich an der Zeit, nach Hause zu gehen. Wäret Ihr wohl so freundlich, mich zu begl …»
In diesem Moment knallte die Rathaustür, und Schritte sowie eine aufgebrachte Stimme wurden laut. «Wo ist sie, Mann? Wenn Ihr es mir nicht sofort sagt, könnt Ihr was erleben!» Die Schritte kamen näher. «Hier? Na warte, mit Euch spreche ich noch!» Im nächsten Augenblick flog die Tür auf und ein wutschäumender Mann kam mit wehendem Reisemantel hereingerannt. «Adelina? Adelina, Gott sei Dank. Ist alles in Ordnung mit dir?»
Adelina riss verblüfft die Augen auf. «Neklas!»
5
Der Medicus fuhr zu Reese herum, und für einen Moment sah es so aus, als wolle er sich auf den Ratsherrn stürzen. «Was geht hier vor? Ich komme nach Hause und finde meinen gesamten Haushalt in Aufruhr, weil Soldaten meine Frau mitgenommen haben, angeblich wegen einer Befragung, und es seit Stunden kein Lebenszeichen mehr von ihr gibt.»
«Magister Burka, es tut mir leid.» Reese trat einen Schritt zurück und versuchte ein Lächeln. «Ich habe mich bei Eurer Gemahlin bereits für die Unannehmlichkeiten entschuldigt. Ihr müsst wissen, sie hilft mir bei der Aufklärung eines, nein
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