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Mord im Dirnenhaus

Mord im Dirnenhaus

Titel: Mord im Dirnenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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sah kurz zwischen ihr und der Kleinen hin und her, dann nahm er entschlossen Adelinas Hand und zog sie zum Tisch.
    «Adelina, das ist Griet. Griet ist …» Er legte seine andere Hand auf die schmale Schulter der Kleinen. «Griet ist meine Tochter.»
    Adelina erstarrte. Für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. Sie starrte das kleine Mädchen an, bis ihr auffiel, dass Griet unter ihrem Blick immer ängstlicher wurde. Adelina atmete tief durch und entspannte sich wieder. Dann sah sie Neklas ins Gesicht. Seine Miene war inzwischen fast ebenso ängstlich wie die seiner Tochter. Fassungslos schüttelte Adelina den Kopf. «Und du lässt das arme Mädchen einfach so hier in der Küche sitzen?» Sie trat resolut auf Griet zu und hob das Kinn der Kleinen ein wenig an. «Du musst ja todmüde sein. Und hungrig. Bist du hungrig?»
    Griet nickte zaghaft. Adelina gab ihr ein Zeichen, aufzustehen. «Na komm, zieh erst einmal diesen staubigen Mantel aus, damit Magda ihn reinigen kann.»
    Griet gehorchte stumm, und Adelina gab das Kleidungsstück an die Magd weiter. Dabei fiel ihr erst auf, dass auch die anderen Dienstboten stumm und neugierig hinter ihr standen. «Nun, was ist denn? Setzt Euch. Es wird Zeit, dass wir alle etwas in den Magen bekommen. Franziska, wo ist mein Vater?»
    «In seiner Kammer. Soll ich ihn holen? Wahrscheinlich schläft er schon.»
    «Nein, lass ihn lieber schlafen.» Adelina sah erneut zu Neklas, der sich nicht vom Fleck gerührt hatte. «Was ist, hast du keinen Hunger?» Als sie seinen kläglichen Gesichtsausdruck sah, trat sie auf ihn zu und legte ihm lächelnd die Hand an die Wange. «Sie sieht dir sehr ähnlich, Neklas.»
    Er stieß geräuschvoll die Luft aus, so als habe er sie die ganze Zeit angehalten, und entspannte sich sichtlich. «Ich erkläre dir später alles.»
    «Natürlich.» Noch immer lächelnd ging Adelina zu dem großen Dreifuß über der Feuerstelle und begann, die dicke Gemüsesuppe mit dem Hühnerfleisch aus dem Kochtopf auf die bereitstehenden Schalen zu verteilen.
    Während der Mahlzeit berichtete Neklas von seiner Reise und dem Lungenkatarrh seiner Mutter.
    «Sie war sehr schwach, als ich ankam, hatte aber das Schlimmste bereits überstanden. Inzwischen geht es ihr wieder recht gut, sodass ich unbesorgt die Heimreise antreten konnte. Sie hat mir viele Grüße an dich aufgetragen.» Er lächelte Adelina zu, und es war ihm noch immer eine gewisse Unsicherheit anzumerken. «Wenn sie sich wieder vollkommen erholt hat, möchte sie uns gerne im kommenden Frühjahr besuchen kommen.»
    «Darüber würde ich mich sehr freuen», nickte Adelina.«Das sind gute Nachrichten. Möchte noch jemand einen Nachschlag?»
    Sofort schob Vitus ihr seinen Teller hin. Sie nahm ihn und füllte ihn noch einmal auf. «Was ist mit dir, Griet, bist du satt geworden?»
    Griet sah schüchtern von ihrer Suppenschale auf und nickte zaghaft. Adelina lächelte aufmunternd. «Du kannst gerne noch etwas haben, wenn du möchtest.»
    Die Kleine blickte zögernd auf ihre Schale nieder, dann schob sie sie ihr vorsichtig hin. Adelina nahm sie und gab noch einen großzügigen Schöpflöffel voll Suppe hinein.
    «Danke.» Es war das erste Wort, das Griet sprach; ihr leises Stimmchen war kaum zu hören. Adelina setzte sich wieder und beobachtete aus den Augenwinkeln, dass das Mädchen von allen mit größter Neugier gemustert wurde. So viel Aufsehen unter völlig fremden Menschen hätte sie als Kind vermutlich auch verschreckt. Einzig Vitus schien sich nicht weiter für Griet zu interessieren. Er schaufelte sich unter genüsslichem Grunzen und Schmatzen die Suppe in den Mund. Wenn er aß, vergaß ihr Bruder alles andere um sich herum.
    Während Neklas noch von den Besonderheiten der Landschaft in Flandern berichtete, ließ Adelina ihren Blick über die Mitglieder ihres Haushalts wandern. Gute Menschen, fürwahr, aber doch ein höchst merkwürdiger Haufen, wenn man es nüchtern betrachtete. Und nun war also offensichtlich ein neues Familienmitglied hinzugekommen. Griet sah ihrem Vater tatsächlich sehr ähnlich, vor allem, weil sie sowohl seine anziehenden schwarzen Locken als auch seine tiefdunklen Augen geerbt hatte. Wenn sie erwachsen war, würde sie bestimmt allen Mannsbildern den Kopf verdrehen. Doch bisherschien die Kleine außerordentlich schüchtern und verschreckt zu sein. Adelina schielte unauffällig zu Neklas hinüber, der gerade einen tiefen Schluck aus seinem Becher nahm. Was ihn wohl bewogen hatte, das

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