Mord im Dirnenhaus
schon Ende Juni dem Spuk ein Ende gesetzt.»
Neklas verschränkte die Arme vor der Brust, lächelte aber gleichzeitig wissend. «Ihr habt von Lyskirchens Haus angegriffen.»
Reese schüttelte den Kopf. «Angegriffen würde ich es nicht nennen. Wir haben ihm einen … Besuch abgestattet.»
«Und bei dieser Gelegenheit das Stadtbanner an Euch gebracht», ergänzte Adelina. «Aber wie ich mich zu erinnern meine, haben Euch sowohl van Kneyart als auch Keppeler dabei unterstützt.»
«Das haben sie auch.» Die Sorgenfalten kehrten in das Gesicht des Ratsherrn zurück. «Deshalb kann ich es auch kaum glauben, aber auf den Briefen, die wir abfangen konnten, war Thönnes’ Siegel.»
«Siegel kann man fälschen», gab Neklas zu bedenken.
«Wozu denn? Und wer sollte das wohl tun?», widersprach Reese. «Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass das Siegel von jemand anderem als der Familie benutzt wurde.»
«Dann war van Kneyart also ein Verräter?» Adelina erhob sich wieder von ihrem Hocker und trat nun ihrerseits ans Fenster. «Das ist schwer zu glauben.»
«Es würde aber erklären, warum er umgebracht wurde», meinte Neklas. «Jedenfalls, wenn jemand bereitsvor dem Stadtrat über diesen Briefwechsel Bescheid wusste.»
«Und das Problem auf eigene Faust lösen wollte, meinst du?» Adelina dachte angestrengt nach. So klang die Sache durchaus einleuchtend. «Was ist dann aber mit Keppeler?»
Reese legte die Abschrift des Briefes wieder auf das Schreibpult. «Wir suchen derzeit noch nach einer Verbindung zwischen beiden. Aber Anton Keppeler war kein großer Freund der Sippe van Kneyart. Da gab es wohl mal eine Geschichte zwischen Keppelers ältester Tochter und einem von Thönnes’ Neffen, die nicht gut ausging. Wie auch immer, es würde mich wundern, wenn Keppeler mit Thönnes gemeinsame Sache gemacht hätte. Bleibt also noch die Möglichkeit, dass sein Tod tatsächlich ein tragischer Unfall war. Sehr ärgerlich, dass die einzige Zeugin, die uns hätte weiterhelfen können, ebenfalls dem Gift zum Opfer gefallen ist.»
«Was ebenfalls für einen Unfall spricht», folgerte Neklas.
In diesem Moment flog die Tür auf, und ein junger Ratsbote in staubiger Livree stürmte außer Atem in die Stube. «Verzeiht, Herr Reese, aber Ihr müsst sofort kommen. Der Erzbischof ist abgereist, und sein Siegelmeister, Chistian van Erpel, will unbedingt mit Euch sprechen. Er klang sehr aufgebracht. Ihr sollt Euch beeilen.»
«Auch das noch!» Reese schnappte sich den Ratsherrenmantel, der neben der Tür hing und warf ihn sich über. «Entschuldigt mich, aber da scheinen sich neue Probleme anzubahnen. Wir reden ein andermal weiter.»
«Wartet!» Adelina lief ein paar Schritte hinter ihm her. «Kann ich Ludmilla noch einmal besuchen?»
Reese blieb stehen. «Sicher, wenn Ihr wollt. Obwohl ich nicht glaube, dass Ihr mehr aus diesem verstockten Weib herausbringt als wir.»
«Dann habt Ihr sie noch einmal befragt?» Adelina machte ein besorgtes Gesicht. Die alte Frau tat ihr unendlich leid. «Sie ist nicht verstockt. Sie weiß nichts.»
«Das sagt Ihr.» Reese griff nach der Türklinke. «Da fällt mir noch etwas ein. Bei der Befragung der Berlichhuren haben wir eine kuriose Sache erfahren. Diese Elsbeth, bei der Thönnes sich zu seinem Todeszeitpunkt aufhielt, schwört Stein und Bein, er habe ihr versprochen, sie aus dem Frauenhaus herauszuholen und als ehrbare Frau irgendwo außerhalb der Stadt unterzubringen.»
«Als ehrbare Frau?»
«Oder als Mätresse, was auch immer. Letzteres wäre ja schon ein beachtlicher Fortschritt für eine wie die. Ich glaube es trotzdem nicht. Denn sie behauptet weiter, er habe ihr sogar versprochen, sie eines Tages, wenn Gras über ihr altes Leben gewachsen sei, zu seiner Frau zu machen.»
«Er hat ihr die Ehe angetragen?» Neklas, der hinter Adelina getreten war, schüttelte verblüfft den Kopf. «Wer glaubt denn so etwas?»
«Ich weiß es nicht. Sie behauptet es jedenfalls. Aber nun muss ich wirklich los. Gehabt Euch wohl, Herr Magister, Frau Adelina.» Reese nickte beiden noch einmal zu, dann eilte er hinaus in Richtung erzbischöflicher Residenz.
«Ich muss mich um die Apotheke kümmern.» Adelina verließ mit Neklas ebenfalls das Rathaus.
«Wir können heute nicht mehr viel ausrichten», stimmte Neklas zu. «Ich werde Overstolz aufsuchen und noch einige weitere Patienten.»
«Morgen ist Keppelers Beerdigung.»
Neklas lächelte. «Eine gute Gelegenheit, Augen und Ohren offen zu halten.» Als
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