Mord im Dirnenhaus
oder so bald herumsprechen wird, sie ist die Tochter meines Gemahls.»
«Ach?» Overstolz musterte Griet nun noch einmal und lachte dann wieder. «Tja, das hätte ich doch gleich sehen müssen. Diese Löckchen sind schließlich unverkennbar. Oh, verzeiht.» Ein wenig betreten zog er den Kopf ein. «Nichts für ungut, Frau Adelina, aber die Ähnlichkeit …»
«Ja, ich weiß. Deshalb machen wir auch gar kein Geheimnis daraus», erwiderte Adelina ruhig.
«Ihr nehmt Euch also des Kindes an? Das ist ein feinerZug, meine Liebe. Aber sagt, habe ich nicht verlauten hören, dass Ihr auch dieses Raderberg-Mädchen in die Lehre nehmen werdet?»
Erstaunt hob Adelina die Brauen. «Woher wisst Ihr das? Diese Entscheidung ist gerade mal einen Tag alt.»
Overstolz zuckte mit den Schultern. «Ihr wisst doch, in Köln bleibt nichts ein Geheimnis, wenn es nicht alle Kölner wollen. Es gab heute eine Sitzung des neuen Gaffelrates. Die Stadtverfassung wurde ja nun gerade gesiegelt, und wir müssen sehen, dass wir die Amtsgeschäfte so schnell wie möglich wieder aufnehmen.»
«Also seid Ihr noch immer im Stadtrat?»
«Gewissermaßen.» Overstolz schob sie zuvorkommend neben den Verkaufsstand eines Sarwörters, da gerade ein großer, mit schweren Mehlsäcken beladener Eselskarren von zwei Bäckergesellen durch die Budengasse geführt wurde. Als das laute Rumpeln verklungen war, fuhr er fort: «Ich sitze jetzt im Vierundvierziger. Das ist ein neues Gremium, welches den Rat bei größeren Entscheidungen zu unterstützen hat.»
«Ich habe davon gehört.»
«Tja, nun, und Euer Zunftmeister Leuer gehört uns ebenfalls an.»
«Ah ja.» Gemeinsam gingen sie ein Stück über den Marktplatz, und als sie in die Nähe der Apotheke kamen, reichte Adelina Griet das Bündel mit dem Leinenstoff. «Sei so gut und bring das schon mal zu Magda.» Griet nahm den Ballen und ging damit gehorsam zur Haustür. Adelina beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Tür geöffnet wurde und Franziska das Mädchen einließ. Dann wandte sie sich wieder an Overstolz. «Dann habt Ihr gewisslich auch schon von der Sache mit dem vergifteten Konfekt gehört.»
Overstolz machte eine wegwerfende Geste. «Sicher, sicher. Eine ungeheure Dreistigkeit! Aber macht Euch darüber keine Gedanken. Nur ein Narr würde glauben, dass Ihr Eure Ware selbst vergiftet habt. Ich wollte es deshalb auch gar nicht ansprechen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie der Eisenhut in Euer Konfekt gelangt sein könnte.» Er senkte vertraulich die Stimme. «Wenn man bedenkt, dass Mathys van Kneyart nun Thönnes’ Ratssitz einnimmt und als Nächster Anspruch auf einen Schöffenstuhl hat, sollte es mich nicht verwundern, wenn er selbst hinter den Morden steckt. Er ist beileibe kein angenehmer Mensch. Mit Sicherheit wird er auch Thönnes’ Schwester unter Druck setzen, dass sie ihn das Geschäft übernehmen lässt.»
«Kann er das denn so einfach? Ich dachte, es existiert ein Testament, das Frau Entgen als Haupterbin begünstigt.»
«Das tut es auch.» Overstolz rieb sich das Kinn. «Leider hat Thönnes nur zwei Gesellen beschäftigt. Der eine hat bereits verkündet, dass er in ein anderes Geschäft einheiraten werde, der andere ist noch zu jung und unerfahren, um die Goldschmiede zu leiten. Er hat gerade die Gesellenprüfung abgelegt. Frau Entgen wird klug genug sein, das gut laufende Geschäft nicht durch eine Heirat mit diesem Grünschnabel zu gefährden. Und da sie nicht die Ehefrau, sondern die Schwester des Verstorbenen ist, wird sie es schwer haben, selbst als Meisterin die Goldschmiede weiterzuführen.»
«Sie hat ihrem Bruder den Haushalt geführt, nicht wahr?»
«Ja. Ich befürchte, dass sie nicht einmal mit den Büchern, geschweige denn mit dem Handwerk vertraut ist.» Mitleidig verzog Overstolz das Gesicht. «Siewird es schwer haben, vor allem mit dieser raffgierigen Verwandtschaft. Aber nun entschuldigt mich, ich muss weiter. Denkt daran, Euren Gemahl zu mir zu schicken. Gehabt Euch wohl, Frau Adelina!» Er hob zum Abschied die Hand und eilte mit großen Schritten, die seine untersetzte Gestalt auf- und abhüpfen ließen, über den Marktplatz davon.
Adelina öffnete nachdenklich ihre Haustür und trat in den Apothekenraum.
***
«Mathys van Kneyart erhebt Anspruch auf Keppelers zukünftigen Schöffenstuhl und übernimmt vermutlich das gut gehende Geschäft seines Vetters», schloss Adelina ihren Bericht in Reeses Amtsstube. Nachdem sie Neklas von ihrem Gespräch mit Overstolz
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