Mord im Dirnenhaus
erzählt hatte, waren sie gemeinsam zum Rathaus gegangen, um mit Reese über diese neuen Entwicklungen zu sprechen. Er hatte sich alles schweigend und mit sorgenvoller Miene angehört und sagte auch jetzt noch nichts. Neklas begann, ungeduldig in dem engen Zimmerchen auf und ab zu gehen. «Wollt Ihr denn gar nichts dazu sagen? Ich erwarte von Euch, dass Ihr diese Sache so bald wie möglich aufklärt. Immerhin geht es um den Leumund meiner Gemahlin. Wenn sich die Sache mit dem Konfekt herumspricht, kann sie ihre Apotheke schließen.»
Reese hob abwehrend die Hand. «Ich weiß, dass wir in einer argen Klemme sitzen, und dass Frau Adelina nunmehr die Leidtragende ist. Aber wir können nicht mehr tun, als Nachforschungen anzustellen. Unglücklicherweise muss ich zurzeit meine gesamte Aufmerksamkeit den Verhandlungen mit dem Erzbischof widmen.Friedrich von Saarwerden muss unsere neue Stadtverfassung anerkennen, koste es, was es wolle. Deshalb müssen alle anderen Pflichten und Obliegenheiten zunächst hintangestellt werden.»
«Soll das heißen, Ihr stellt keine weiteren Nachforschungen an?» Entgeistert fuhr Adelina von ihrem Hocker auf. «Wollt Ihr den Mörder etwa ungeschoren davonkommen lassen?»
«Keineswegs. Im Gegenteil sogar. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass jemand versucht, die Verhandlungen mit dem Erzbischof zu untergraben. Die Patriziergeschlechter, die nach dem Umsturz des alten Stadtrates Köln verlassen haben, scheinen Anschläge zu planen. Hilger Quattermart hat sogar einen Klagebrief an den Erzbischof geschickt, in dem er behauptet, zu Unrecht der Stadt verwiesen worden zu sein. Natürlich versucht er mit aller Macht, die alten Verhältnisse wiederherzustellen. Und das bedeutet eine große Gefahr für den Stadtfrieden.» Reese ging zu seinem Schreibpult und nahm ein Pergament, das zuoberst auf einem Stapel Papier lag. Er hielt es Neklas hin und nickte auffordernd. «Lest das.»
Neklas tat, wie ihm geheißen. Während er las, wurde seine Miene immer ungläubiger. Schließlich reichte er das Pergament an Adelina weiter. Sie warf einen Blick darauf und stieß überrascht die Luft aus. Laut las sie vor: «So hat die Stadt Köln in ihrem Hochmut große Gewalt an mir und meinen hochverehrten Freunden getan. Ich weiß nicht …»
«… wessen sie mich bezichtigen und warum mir dies geschehen ist», vervollständigte Reese mit grimmiger Miene den Satz. «Dieser Brief ist uns erst kürzlich in die Hände gefallen. Unser Stadtschreiber, Gerlachvom Hauwe, hat eine Abschrift davon gemacht. Anscheinend hat Hilger den Brief nicht nur an Friedrich von Saarwerden, sondern zudem noch an verschiedene Fürsten des Deutschen Reiches geschickt, und das bereits im März.»
«Und was hat das mit den Morden zu tun?» Adelina setzte sich wieder. Reese trat ans Fenster und blickte hinaus, dann wandte er sich wieder um. «Wir haben erfahren, dass Thönnes van Kneyart allem Anschein nach mit Hilger Quattermart in Briefkontakt stand.»
«Seid Ihr sicher?» Neklas runzelte ungläubig die Stirn. «War van Kneyart nicht einer der Anführer des Angriffs der Partei der Freunde auf die Greifen vergangenes Jahr?»
«Er ist ein Freund von Konstantin von Lyskirchen», nickte Reese. «Die Partei der Freunde wollte dem Stadtrat helfen, die reichen Patrizierfamilien zu entmachten. Das hat ja zunächst auch funktioniert. Leider hat von Lyskirchen sich hinterher selbst als Machthaber aufgespielt. Damit hatten die Handwerker- und Kaufmannsämter nicht gerechnet. Denn die Zünfte wollten ja erreichen, mehr Macht im Stadtrat zu erhalten. Wahrscheinlich war es ein Fehler, sich ausgerechnet mit von Lyskirchen und seinen Anhängern zu verbünden. Ich schließe mich da nicht aus. Wir hatten diese Entwicklung einfach nicht in Betracht gezogen. Von Lyskirchen stellte beinahe die gleiche Ordnung wie vor dem Überfall auf die Greifen her und ließ zudem noch alle Einträge aus dem Eidbuch der Stadt löschen, die eine Einschränkung der Schöffen betrafen.»
«So habt Ihr also den Teufel mit Beelzebub vertrieben», schloss Adelina.
«So könnte man sagen», stimmte Reese zu. «Rat undSchöffen konnten wieder einträchtig in eigener Sache urteilen und ihre eigenen Interessen vertreten. Die Bedürfnisse der Handwerker und kleinen Kaufleute, für die wir uns ja ursprünglich eingesetzt hatten, wurden dagegen wieder außer Acht gelassen.»
«Aber nicht für lange», warf Neklas ein.
«Nein, nicht für lange. Wie Ihr wisst, haben die Zünfte
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