Mord im Dirnenhaus
Wunsch, meine Tochter. Aber ich hielt es für meine heiligste Christenpflicht, Euch zu warnen. Sagt Euch von ihm los, bevor es zu spät ist. Denn sollte er wider Erwarten doch noch einmal zurückkehren, werde ich dafür sorgen, dass er nicht noch einmal so glimpflich davonkommt wie in Italien.»
Als er das Flackern in Adelinas Augen wahrnahm, nickte er zufrieden. «Ich sehe, Ihr wisst, wovon ich rede. Dann wisst Ihr sicher auch, wie es Leuten ergeht, die mit Ketzern sympathisieren oder ihnen gar helfen.» Er nickte noch einmal und wandte sich zur Tür. «Ich empfehle mich derweil. Sicher wisst Ihr, was Euch als guter Christin zu tun ansteht. Vor allem in der prekären Situation, in der Ihr Euch befindet. Gehabt Euch wohl.» In einer Aura von Selbstgefälligkeit verließ Thomasius die Küche.
«Ich sehe zu, dass er auch wirklich verschwindet.» Ludowig stürzte dem Mönch mit grimmigem Blick hinterher.
Adelina ging langsam zum Tisch zurück und ließ sich erschüttert auf ihren Platz sinken.
«Herrin, regt Euch nicht auf», sagte Franziska leise. «Der ist es nicht wert, dass man auf ihn hört. Kein Wort glauben wir von dem, was er gesagt hat, nicht wahr, Magda?»
Die alte Magd stimmte mit einem heftigen Nicken zu. «Kein Wort. Magister Burka ist ein guter Mann.»
Ludowig kam in die Küche zurück und verzog voller Hohn sein Gesicht. «Ich habe ihn vor die Tür gesetzt. Leider hat dabei seine schöne Kutte ein paar üble Flecken bekommen.»
«Danke, Ludowig.» Adelina zog den Kopf zwischen die Schultern. «Aber ich glaube, das war keine gute Idee. Mit diesem Mann legt man sich besser nicht an.»
«Ach was, Herrin, so kenne ich Euch ja gar nicht!», rief der Knecht empört und ließ sich auf seinen Sitzplatz fallen. «Ihr werdet doch dem Gewäsch dieses Pfaffen keinen Glauben schenken? Der spielt sich doch nur auf. Möchte wissen, was Magister Burka ihm getanhat, dass er so giftig ist. Verzeiht, Herrin, aber ist doch wahr.»
«Bestimmt hat Magister Burka diesen Kerl mal beleidigt», befand Magda. «Pfaffen sind immer gleich beleidigt, wenn man ihnen was sagt. Und unser Herr ist doch so gebildet. Wahrscheinlich hat er ihm die Meinung gesagt, und jetzt will der Pfaffe es ihm heimzahlen.»
«Wenn das alles wäre», murmelte Adelina. Die Stiche in ihrer Magengrube wurden immer heftiger. Dennoch straffte sie die Schultern und blickte auffordernd in die Runde. «Was ist, wollt Ihr nicht endlich essen? Das Gemüse ist bestimmt schon fast kalt.»
Nach dem Essen überließ sie es den Mägden, das Geschirr zu reinigen und die Küche aufzuräumen. Sie brachte Griet und Vitus zu Bett und wünschte auch Mira noch eine gute Nacht. Das Mädchen verhielt sich ziemlich still, doch an ihren Augen konnte Adelina erkennen, dass sie jedes Detail des Geschehenen mitbekommen und verstanden hatte.
Hoffentlich gibt das nicht noch mehr Probleme, dachte sie bei sich, als sie endlich ihre Schlafkammer aufsuchte. Bevor sie den Fensterladen schloss, blickte sie noch einen Moment auf den stillen Alter Markt hinab und genoss die kühle Luft, die ihre Nerven langsam beruhigte. Die Wolken am Himmel waren aufgelockert und zogen rasch vorüber, sodass der zur Hälfte gerundete Mond sein Licht auf die Stadt warf. Dennoch konnte Adelina nur schemenhafte Umrisse erkennen. Ein paar Verkaufsbuden, die so massiv waren, dass die Kaufleute sie nicht täglich auf- und abbauten, der Kax als finster aufragendes Mahnmal gegen Lug und Trug. Unter dem Fenster nahm Adelina eine Bewegung wahr. Eine Katze schlich vorbei. Wahrscheinlich Fineauf ihrem nächtlichen Rundgang. Am anderen Ende des Marktplatzes ertönten Stimmen. Die Stadtwache machte ihre Runde.
Adelina folgte den dunklen Gestalten mit den Augen, so gut sie es in der Finsternis vermochte. Jetzt flammte eine Fackel auf. Offenbar trat die Wache gerade erst ihren Dienst an. Während sie dem auf- und abwippenden Lichtpunkt nachsah, registrierte sie aus den Augenwinkeln plötzlich eine Bewegung am Kax.
Mittlerweile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, sodass sie, als sie genauer hinsah, das Flattern einer Kutte wahrnahm, die im Mondlicht hell aufleuchtete. Sekundenlang starrte sie mit wild pochendem Herzen auf die stille Gestalt dort unten, dann knallte sie den Fensterladen zu und verriegelte ihn.
11
«Bestimmt ist er aufgehalten worden», redete Adelina sich am folgenden Nachmittag zum wiederholten Male ein. Bei jedem Geräusch, jedem Klingeln der Glöckchen an der Eingangstür hob
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