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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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Besatzern Athener wurden.
    Ein Athener aber braucht Geld, und die hässlichen spartanischen Eisengroschen wollte niemand haben. Wie bezahlten die Offiziere also die Vergnügen, denen sie sich fern ihrer strengen Heimat hingaben? Ich erfuhr es, als uns mein Schwiegervater an einem schönen Frühlingsabend besuchen kam. Der Tag war mild gewesen und blieb es noch in den Sonnenuntergang hinein. Wir setzen uns zu dritt unter den Feigenbaum. Die Jungs tobten um uns herum. Sie spielten Athener und Spartiate. Natürlich musste der kleinere immer den ungeliebten Spartaner geben und verlieren. Raios war bester Laune. Seine Warze schien auf seinem breiten Lächeln auf- und abzuhüpfen, sein Schädel glühte schon nach dem ersten Schluck. Er brannte förmlich danach, uns von den Geschäften zu erzählen, die er an jenem Tag gemacht hatte.
    Irgendein spartanischer Tölpel, ebenso eitel wie verliebt, hatte einen Armreif für sich und ein sündhaft teures Geschmeide für eine Kurtisane gekauft – keine andere als Laïs, wie Raios vollmundig behauptete.
    «Und wie hat dein verliebter Spartaner bezahlt?», fragte ich ein wenig spitz, zumal ich ihm seine kaufmännischen Abenteuer nie ganz glauben konnte. Raios griff mit breitem Grinsen in den Gürtel und zog eine Goldmünze hervor, die er in hohem Bogen auf den Tisch warf. Es war ein glänzender, goldener Dareikos – persisches Geld – und so viel wert wie zwanzig Silberdrachmen.
    Während Raios seine Gespräche mit dem verliebten Soldaten schenkelklopfend in allen Einzelheiten schilderte, nahm ich die schimmernde Münze an mich und betrachtete sie genau. Sie schien mir neu, soweit ich es beurteilen konnte, die Prägung war klar und unversehrt. Nicht der kleinste Kratzer lief über das hochmütige Profil des Großkönigs, das auf der Münze prangte. Unwillkürlich kam mir Sokrates in den Sinn, der bei der denkwürdigen Vollversammlung nach dem Untergang unserer Flotte diese eine Frage aufgeworfen hatte. « Woher hat Sparta die Schiffe? Woher hatte Sparta das Silber für ihren Bau?» Und noch ein Gesicht sah ich vor mir, während der persische Dareikos zwischen meinen Fingern blinkte: das Gesicht des persischen Kapitäns mit der kleinen Nase und dem dunklen Bart, der das Kinn umrahmte. Vielleicht, so dachte ich mir, vielleicht ist Sokrates’ Frage einfach nur in einem einzigen Punkt falsch gestellt. Vielleicht brauchten die Spartaner gar kein Silber für ihre Flotte, sondern bezahlten mit Gold.
    Für den nächsten Tag war wieder eine Vollversammlung einberufen, aber ehe ich mich auf den Weg zur Pnyx machen konnte, erhielt ich Nachrichten aus Piräus, glückliche Nachrichten, wie ich glaubte. Mein Schiff war eingekommen, das Schiff mit seiner Fracht aus Mazedonien, auf das ich im letzten Herbst vergeblich gewartet hatte. Der ebenso kluge wie erfahrene Kapitän hatte beidrehen lassen, als er die Ägäis von den Spartiaten blockiert fand, und war nach Mazedonien zurückgekehrt, wo er Unterkunft fand, bis der Seeweg wieder frei war. Nun war er hier, um seinen Kontrakt zu erfüllen, und mein lieber Freund Chilon ließ sofort nach mir schicken, damit ich die Fracht in Besitz nehmen konnte.
    Natürlich sattelte ich gleich Ariadne, um mit ihr und dem Boten – kein anderer als der Flüchtling aus Lampsakos, den Chilon bei sich aufgenommen und während der gesamten Zeit der Belagerung beherbergt hatte – auf schnellstem Wege zum Kantharos zu kommen. Ich verspürte, wie ich gestehen muss, ohnehin keine Neigung, eine Vollversammlung zu besuchen, die unter der wachen Aufsicht spartanischer Soldaten stand. Was sollte man schon beschließen? Etwa Widerstand gegen die Besatzer? Es würden sich doch wieder nur einige Leute wichtigtun und über Belanglosigkeiten streiten. Mit Grausen dachte ich an den kleinen Theramenes mit dem dicken Bauch und dem dauernden Grinsen und gab einem beherzten Ritt und der Arbeit am Hafen deutlich den Vorzug vor einer seiner Reden. – Und so kam es nun einmal, dass ich ausgerechnet die Versammlung verpasste, deren Verlauf und Ergebnis das Schicksal Athens für die nächsten Monate bestimmen und die der Ursprung von so viel Leid, Unglück und Verbrechen sein sollte: Ich erinnere mich gut, wie ich mir am Abend nach meiner Rückkehr aus Piräus noch die Füße vertreten ging. Die Arbeit war getan, die Ladung überprüft, gelöscht und von einigen Tagelöhnern in meine Keller gebracht worden. Ich fühlte mich wohl wie nach einem warmen Bad und meinte, allen um mich herum

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