Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
Vom Netzwerk:
war genauso klangvoll wie vor Jahren, und sein Griechisch hatte noch immer den gleichen kleinen barbarischen Zungenschlag.
«Es ist viel geschehen seit damals», sagte ich und wurde traurig dabei. Ich wusste nicht, warum, aber ich musste an meinen Vater denken. Für einen Moment war da wieder jenes Bild, wie er ausgestreckt auf dem Boden lag und Chilon sich über ihn beugte.
«Du hast damals schon gewusst, dass wir uns wiedersehen würden», fuhr ich fort, um mich von dieser Erinnerung wegzureißen.
«Nicht wirklich gewusst, geahnt», antwortete der Kapitän, während er eine Schale mit fremdartigem Obst auf den Tisch stelle.
«Koste davon. Ich habe sie eigens für dich mitgebracht», sagte er und reichte mir anmutig eine Frucht herüber. Ich nahm sie an, wog und maß sie in der Hand und betrachtete sie genau. Sie war etwa so groß wie ein Apfel, hatte aber die Gestalt einer Pflaume. Die Haut wirkte pelzig wie bei einem Tierchen. Neugierig biss ich in das zarte Fleisch, und während in meinem Mund ungeahnte Süße explodierte, rann mir der Saft über das ganze Kinn.
«Sei vorsichtig, der Kern ist sehr hart», warnte mich der Kapitän gerade rechtzeitig, denn beinahe wäre ich mit den Zähnen gegen den dicken Stein in der Mitte dieses zarten Fleisches gestoßen. «Ich kenne viele Griechen, die sich schon die Zähne an diesen persischen Äpfeln ausgebissen haben!»
«Das glaube ich dir gern», sagte ich und nahm dankbar ein feuchtes Tuch, das er mir gab, um Hände und Mund abzuwischen. «Es scheint, wir Griechen erliegen euren Verlockungen leichter als euren Armeen.»
Der Kapitän antwortete schweigend, aber deutlich genug.
Nachdem ich das kleine Mahl beendet hatte, sah ich ihn lange an. Er erwiderte meinen Blick mit seinem undurchdringlichen Lächeln.
«Was macht ihr hier?», fragte ich endlich. Er zog die Augenbrauen hoch.
«Ich dachte, das wüsstest du schon, mein Freund», antwortete er.
«Ihr treibt Schulden ein, nicht wahr?», sagte ich ins Leere.
Er nickte langsam und bedächtig.
«Erklär es mir», bat ich ihn leise. Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
«Bitte!», sagte ich.
«Es wird dir nicht gefallen», meinte er.
«Das macht nichts. Ich muss es wissen.»
«Ich bin nur der Kapitän eines Schiffes. Ich weiß nicht viel von diesen Dingen. Ich habe nur hier und da ein paar Sätze aufgeschnappt, das ist alles.»
«Erzähl einfach das, was du weißt», sagte ich in völliger Ruhe.
Er atmete tief und schwer ein. «Krieg kostet Geld, viel Geld, und man kann viel Geld dabei verdienen. Das weißt du sicher?»
Ich bejahte.
«Die Spartaner wussten, dass sie den Krieg nur gewinnen konnten, wenn sie eure Flotte bezwangen. Dazu mussten sie aber eine Flotte ausrüsten, die eurer Streitmacht überlegen oder wenigstens ebenbürtig war. Aber Schiffe kosten. Wie sollten sie so viel Geld aufbringen? Die Spartaner sind Soldaten, keine Händler. Für ihre lumpigen Münzen hätten sie höchstens ein paar wurmstichige Kähne bekommen.» Er brach ab und sah durch die Luke auf das Meer hinaus.
«Ihr habt es ihnen gegeben …», warf ich ein.
«Ja, aber so einfach war das nicht», erwiderte er tonlos. «Wie ich schon sagte: die Spartaner sind keine Händler. Kein Handel, kein Geld, keine Sicherheiten. Das heißt: kein Geschäft.»
«Der Großkönig konnte wieder Macht über Griechenland gewinnen …», wandte ich ein, «und diesmal ganz ohne eigene Kriege und Schlachten. War das kein Geschäft für Persien?»
Der Kapitän machte eine abwehrende Geste. «Griechenland!», sagte er. «Ich will dich nicht kränken. Euer Land ist schön. Ich mag es sehr. Aber es bedeutet uns eigentlich nicht viel. Meinst du, Persien wäre nach dieser kleinen Schlacht bei – wie hieß der Ort bei Athen noch gleich?»
«Marathon!»
«Ja, ich glaube, so hieß er … Meinst du, Persien wäre nach der Schlacht bei Marathon nicht mit einer noch viel größeren Armee einmarschiert, wenn uns euer Hellas so wichtig gewesen wäre? Das Persische Reich ist zehn Mal größer und tausendfach reicher als Griechenland …»
«Also?», sagte ich ein wenig trocken. Ich muss zugeben, die Überheblichkeit des Persers hatte mich verletzt. Wie konnte er den Namen Marathons vergessen?
«Weißt du es denn immer noch nicht?», fragte er.
«Nein», erwiderte ich aufrichtig.
«Überlege einmal: Die Spartaner sind keine Kaufleute. Ihr Athener seid da aus einem anderen Holz geschnitzt …Verstehst du jetzt?»
Ich schüttelte den Kopf.
«Weißt du, es ist eigentlich ganz

Weitere Kostenlose Bücher