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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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einfach», erklärte er schließlich. «Es war euer Geschäft!»
Ich sah ihn ungläubig an. Was sagte er da? Ich verstand nicht, aber ich wollte auch nicht verstehen, denn das Meer schimmerte immer noch blau durch das Kabinenfenster, und die Gischt kräuselte sich sanft auf den kleinen Wellen. Nirgendwo tat sich die Erde auf, um uns zu verschlingen, kein Meeresungeheuer zeigte sich, um die See aufzupeitschen, und fern blieben die Göttinnen der Rache, um uns alle zu jagen. Wenn ich ihn richtig verstanden hatte, hätte dann nicht längst schon ein Blitz vom Olymp her niedergehen müssen, um die verräterische Stadt in Schutt und Brand zu legen?
«Ich verstehe nicht …», sagte ich, blöd wie ein Schaf, nachdem ich eine ganze Weile nur vor mich hingestarrt hatte. «Was meinst du damit: es war unser Geschäft?»
Der persische Kapitän lächelte mitleidig. «Nun, so wie ich es verstanden habe, waren es eure Bankiers, die auf ihre persischen Kollegen zugingen, um den Kredit für Sparta einzufädeln. Sie hatten wohl selbst keine ausreichenden Mittel für eine so gewaltige Flotte. Also haben sie einen Teil des Geldes selbst aufgebracht und sich für die restliche Summe verbürgt: mit allem, was Athen besitzt.»
«Das ist nicht wahr, du lügst!», rief ich aus und sprang auf. Das Blut stieg mir in den Kopf. Einen Augenblick lang wollte ich dem Perser an die Kehle gehen, aber seine traurigen Augen hielten mich davon ab. Er sagte die Wahrheit. Ich wusste es, auch wenn das Meer draußen glatt blieb. Meine Wut fiel ebenso schnell in sich zusammen, wie sie entflammt war. Ich ließ mich auf meinen Schemel zurücksinken.
«Verzeih», sagte ich und senkte den Kopf. «Das ist jetzt das zweite Mal, dass ich dir Unrecht tue.» Ich schämte mich. Ich schämte mich für meine Wut und für Athen.
Der persische Kapitän blieb ganz ruhig, so wie er die ganze Zeit ruhig geblieben war.
«Es tut mir leid, dass du es von mir erfahren musstest», antwortete er. «Kein Mensch liebt den Überbringer einer schlechten Nachricht.»
«Aber warum? Warum haben sie das getan?», fragte ich. «Was haben sie von diesem Verrat? Es kann doch nicht um die paar Zinsen gehen, die die Spartaner zahlen! Dieser Lohn ist zu gering!»
«Du hast recht», antwortete mein persischer Freund, «um diesen Lohn ging es auch nicht.»
«Und worum ging es? Was war so verlockend, dass sie dafür die ganze Stadt verraten haben?»
Der Kapitän sah hinaus aufs Meer. Er schien mir müde, müde und ohne Hoffnung. «Es ging um Athen», sagte er nach einer Weile. «Verstehst du, die Stadt selbst war der Einsatz. Und sie haben gewonnen.»
«Kritias!», sagte ich.
    es war, als hätte jemand eine Fackel in eine Höhle geworfen, die im Flug noch erlischt. Mit dem Lichtschein wird ein Raum sichtbar, und Formen und Gestalten treten für einen kurzen Augenblick erschrocken aus der Dunkelheit, um dann gleich wieder von der Nacht umhüllt und eingeschlossen zu werden. Ihr unwirkliches Bild indessen lebt in der Erinnerung des Betrachters fort wie ein Traum. Ich sah Schemen in einem festlich geschmückten Saal, ein paar Gesichter am Rande der Finsternis. Man feierte ein Symposion. Man feierte einen Verrat. Die Krüge kreisten, der Wein floss in Strömen. Ein nackter Knabe blies die Flöte, kein Zweifel, wessen Züge er trug. Kritias trank den Gästen zu, und einer von ihnen war Periander.

Noch an jenem Morgen kehrte ich nach Athen zurück. Ich verabschiedete mich von dem persischen Kapitän in dem Bewusstsein, dass ich ihn nie wiedersehen würde und gleichwohl ein Leben lang an ihn gebunden war.
    «Es tut mir leid», entschuldigte ich mich zum Abschied und meinte meinen Zorn, die Feindschaft unserer Völker und unsere verpasste Freundschaft zugleich. Er lächelte nur sein orientalisches Lächeln. Trotzdem war ich sicher, er verstand.
    Ungern ließ ich Aspasia und die Kinder allein, obwohl ich sie in den besten Händen wusste. Aber nur in Piräus waren sie sicher, jetzt, da Athen in Kritias’ Händen und Thrasybulos fern war. Chilon würde auf sie aufpassen und für sie sorgen, auch wenn mir etwas zustoßen würde. Gemeinsam brachten sie mich zum Tor und winkten mir zum Abschied nach. Wie ich Aspasia und Chilon aber so nebeneinander stehen sah, wusste ich plötzlich nicht mehr, wie nahe sie sich vielleicht wirklich waren. Ich spürte einen Stich in meiner Seele und das Gift der Eifersucht, das in mich drang .
    Auf dem Rückweg besuchte ich Myson. Er hatte Neuigkeiten, und keine guten.

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