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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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verneigte sich vor Aspasia.
«Was ist mit ihm?», fragte ich und zeigte zur Tür, durch die Melaos verschwunden war.
«Nichts, er wundert sich nur, dass ich heute Mittag schon zwei Zimmer für euch habe vorbereiten lassen. Die beide oberen. Du weißt, die Zimmer mit dem Blick zum Hafen.»
«Du wusstest, dass wir kommen würden?», fragte Aspasia fast ebenso erstaunt wie Melaos. Und an mich gewandt meinte sie: «Ich dachte, du hättest ihm keinen Boten geschickt …»
«Das habe ich auch nicht!», antwortete ich.
Chilon nickte. «Hat er auch nicht», bestätigte er, «aber als ich heute Morgen von dieser unglückseligen Versammlung hörte, ahnte ich, dass ihr Athen verlassen würdet. Ich bin froh, dass ihr hier seid. Hier seid ihr in Sicherheit. Kommt herein. Melaos wird uns etwas zu essen bringen.»
Chilon führte uns ins Haus und half mir, meinen kleinen Sohn nach oben zu tragen, wo ein Bett auf ihn wartete. Nachdem wir angekommen waren, war er kurz wach geworden, hatte sich aber kaum auf den Beinen halten können. Jetzt schlief er in meinen Armen. Ich hatte alle Mühe, ihn die steile Treppe hinaufzubringen. Er war schwer wie ein Stein.
«Du bleibst wenigstens heute Nacht?», fragte Chilon, als wir wieder nach unten gingen.
«Ja, heute Nacht bleibe ich», erwiderte ich. Offenbar hatte er nicht nur unsere Ankunft vorausgesehen, sondern auch meine Rückkehr nach Athen. Er drehte sich zu mir, nickte und verstand.
«Ich werde gut auf sie aufpassen», sagte er, bevor wir ins Speisezimmer traten.
    Ich erwachte früh. Irgendetwas hatte mich geweckt, aber ich konnte nicht ausmachen, was es war. Aspasia schlief friedlich neben mir. Sie hatte mir das Gesicht zugewandt, ihr schwarzes Haar fiel ihr in die Stirn. Vom Hafen her kam eine eigentümliche Unruhe. Da war noch etwas anderes als die üblichen Geräusche beim Einlaufen eines Schiffes oder beim Löschen der Ladung. Ich stand vorsichtig auf und schlich zum Fenster. Die Läden standen einen Spalt offen. Mein Blick fiel auf einen schmalen Streifen blauen Himmels und ruhiger See, funkelnd im Licht der Morgensonne. Zwei Möwen zogen ihre Kreise, ein Fischerboot trieb vor der Küste. Ich wandte den Blick zum Hafen und suchte das Becken und die Landestege ab: Ladekräne, Sklaven bei der Arbeit. Und dann entdeckte ich es, gerade dockte es an: ein gewaltiges Schiff, größer, als die Griechen es je bauen würden, der Bug mit einem großen Auge und einem lachenden Mund verziert, aus dem ein Rammsporn wie eine Zunge ragte. Das Schiff brachte die Unruhe. Kein Wunder, wir hatten nicht alle Tage Besuch aus Persien.
    Die Landungstaue waren noch nicht verknotet, als schon spartanische Soldaten aufmarschierten und die Schaulustigen vertrieben, die vor dem Frachter zusammenliefen. Während die Spartaner am Kai Stellung bezogen, wurde die Landungsbrücke heruntergelassen. Vier in leuchtende Seide gewandete Männer gingen unsicher von Bord. Ich erkannte ihre Gesichter von Weitem. Ein Offizier half ihnen, trockenen Fußes über die schwankende Planke zu kommen, und begrüßte sie so feierlich, wie ein hölzerner Spartaner das eben vermochte.
    «Was ist da?», fragte Aspasia und trat verschlafen neben mich. In über zehn Ehejahren hatte ich noch nicht gelernt, so leise aufzustehen, dass sie nicht wach wurde. Wahrscheinlich kann ich es heute noch nicht.
    Ich öffnete die Fensterläden und zeigte zum Hafen.
    «Ein persisches Schiff», sagte sie tonlos. «Ist es das, von dem du mir damals erzählt hast?»
Ich nickte und konnte meinen Blick nicht von dem Schauspiel wenden, das sich unter unseren Augen abspielte: Zwei prächtige, goldbeschlagene und von je sechs Schimmeln gezogene Kutschen fuhren vor. Sie wurden von einem ganzen Tross von Reitern begleitet. Kaum angekommen, sprang der Anführer der Eskorte vom Pferd und begrüßte die Perser ehrerbietig. Dabei war er ein hoher Offizier, seine schimmernde Uniform zeigte es. Die in Seide gehüllten Männer erwiderten den Gruß mit großer orientalischer Geste, verneigten sich zeremoniell und küssten den Spartiaten zur Belustigung seiner Männer zu guter Letzt auf den Mund. Dann ließen sie sich schwatzend und wild gestikulierend zu den Wagen begleiten, die ganz augenscheinlich allein für die Perser vorgefahren worden waren.
«Hast du diese Männer schon einmal gesehen?», fragte Aspasia. Sie flüsterte, als müssten wir vorsichtig sein, nicht gehört zu werden.
«Es sind die Bankiers», antwortete ich.
«Die gleichen wie vor vier Jahren?»
«Genau

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