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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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Lachen hinter vorgehaltener Hand, aber sie wurde gleich wieder ernst und sah nachdenklich auf den Becher, der vor ihr stand.
«Wenn du weißt, dass er nicht der Mörder ist, wieso hast du ihn eingesperrt?», fragte sie.
«Er hat gestohlen und meinen Schreiber zu erwürgen versucht», antwortete ich ein wenig unwirsch. «Außerdem will ich ihn weiter befragen, vielleicht hat er etwas gesehen.» Ich verstand nicht recht, wieso Aspasia nach etwas so Selbstverständlichem fragte.
«Bringst du ihn nicht in größte Gefahr?», hakte sie nach.
«Gefahr, wieso?» Ich verstand nicht.
«Denk einmal nach», meinte sie, und ich hörte ihrer Stimme an, dass ich sie verletzt hatte. «Alkibiades hat dir aufgegeben, den Mörder zu suchen oder jemanden, dem man den Mord unterschieben kann, einen Sündenbock. Du findest diesen Lysippos, einen Säufer, Krüppel, Dieb, Leichenfledderer. Er hat weder Familie noch Freunde. Einen besseren Täter gibt es nicht. Was meinst du, wie lange braucht der Areopag, um jemanden wie ihn zu verurteilen?»
«Aber er war es nicht», antwortete ich ebenso naiv wie trotzig. Ich wusste, Aspasia hatte recht, auch wenn ich es nicht gerne zugeben wollte. Zu allem Überfluss räusperte sich gerade in dem Moment wieder mein Vater, um das Wort zu ergreifen.
«Aspasia sieht das völlig richtig, mein Junge», meinte er und schlug dabei einen selten vorwurfsvollen Ton an, so als wollte er mir eigentlich sagen, ich müsse meine Frau besser behandeln. Noch bevor ich etwas entgegnen konnte, was ich vielleicht bereut hätte, stand plötzlich mein Jüngster vor uns im Garten und beschwerte sich, weil er nicht im Bett liegen wollte. Ich war froh, das Gespräch abbrechen zu können, ging zu ihm und trug ihn in das Kinderzimmer zurück, wo sein älterer Bruder schon tief und fest schlief.
«Wieso kannst du nicht schlafen?», fragte ich den Kleinen flüsternd, während ich ihn in sein Bett legte und zudeckte. «Hast du schlecht geträumt?»
«Ich schlafe nie», antwortete er und drehte sich auf die Seite. Ich strich ihm über den Kopf und summte ein Schlaflied, bis ich fühlte, dass sein Atem ruhiger und regelmäßiger wurde. Sein kleiner, zarter Oberkörper hob und senkte sich unter meinem Arm. Seine Nase pfiff ein wenig, wenn er Luft ausstieß. Sein Nacken roch nach süßer Milch.
Ich blieb lange bei meinen Söhnen in ihrem dunklen Kinderzimmer sitzen, betrachtete ihre schemenhaften Gestalten, lauschte ihrem nächtlichen Atem und wachte über ihren Schlaf. Still war es in diesem Zimmer bei den Knaben. Kein Laut drang von außen herein. Ich hörte nur die Geräusche ihrer Träume. Da lagen sie, schliefen sie, atmeten sie: Teile von mir und doch viel mehr als ich. Wenn ich für einen Moment mit dem Gedanken gespielt hatte, die Suche nach Perianders Mörder aufzugeben und Athen Lysippos als Täter auszuliefern, dann verwarf ich diesen Plan jetzt und hier, im Zimmer meiner Söhne. Denn auch Periander war ein Sohn, und ihm und seiner Familie schuldete ich die Wahrheit.
Als ich in den Garten zurückkam, saß nur noch mein Vater im Schein der Lampe. Er wartete auf mich. Aspasia hatte sich zurückgezogen. Obwohl ich müde war, setzte ich mich noch ein wenig zu ihm. In meinem Becher war noch etwas Wein. Jemand hatte einen Tondeckel darauf gelegt, damit kein Insekt hineinfiel.
«Ich wollte dich nicht belehren», sagte Vater nach einer Weile. «Ich weiß, du hast es nicht leicht. Aber du warst unfreundlich zu deiner Frau, und sie ist eine gute Frau.»
«Mach dir keine Gedanken», antwortete ich. Dann erhob ich mich und ging zu Bett.
es dauerte nicht lange, bis ich erfahren sollte, wie berechtigt Aspasias Befürchtungen waren.
Ich ging am nächsten Tag wieder zur Kaserne, allerdings erst am späten Vormittag, und freute mich, Myson in der Schreibstube an seinem gewohnten Arbeitsplatz zu sehen. Er wirkte zwar immer noch gealtert, schien Lysippos’ Angriff aber sonst gut überstanden zu haben. Sobald er mich sah, zog er die Augenbrauen hoch und deutete mit seinem Kopf in Richtung Zelle. Irgendetwas geschah hier, etwas Ungewöhnliches.
«Was ist denn los?», fragte ich. Myson legte seinen Zeigefinger über die Lippen und wiederholte die Kopfbewegung. Ich konnte mir keinen Reim auf diese Geste machen und ging sofort in Richtung Zelle, um nachzusehen, worüber mein Schreiber nicht reden wollte.
Zu meiner Überraschung war die Tür offen. Ein Soldat wartete davor und hielt Wache. Er stand im Gegenlicht, daher erkannte ich ihn nicht sofort.

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