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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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Athen verlassen muss. Dann erschließt sich dir die Antwort ganz von selbst!»
Ich hörte ein Klopfen an der Kajütenwand. Der Kapitän stand in der Tür. Er räusperte sich.
«Entschuldige Hauptmann, wenn ich störe», sagte er, «es ist Zeit. Wir müssen ablegen. Sonst kommt die Flut und hält uns im Hafen. Wir wollen abstoßen.»
Ich nickte und sah Hippokrates in die Augen.
«Es tut mir leid, dass du gehen musst», sagte ich zum Abschied, «sehr leid. Aber ich habe heute deinen Schüler Chilon kennengelernt. Wenn du möchtest, dann lass ihn wissen, wo du zu finden und zu erreichen bist. Ich könnte dir eine Nachricht zukommen lassen, sobald du zurückkommen kannst. Wenn du möchtest.»
Der Arzt nickte, aber er blieb stumm. Ich wusste, was er dachte. Er hatte keinen Grund, mir zu trauen. Vielleicht war ich nur hier, um zu prüfen, ob er nicht vielleicht jetzt schon so klug war, einfach zu lügen, wenn man ihn nach Perianders Tod fragte. Wenn das so wäre, hätte er diese Prüfung alles andere als bestanden. Das brachte ihn in zusätzliche Gefahr, und er wusste das.
«Du musst mir nicht vertrauen», sagte ich. «Ich will gar nicht wissen, wo du bist. Vertraue einfach nur Chilon. Und wenn ich ihm sage, dass du gefahrlos zurückkehren kannst, dann erkundige dich bei anderen über die Verhältnisse in Athen. Verschaffe dir selbst ein Bild. Aber dann kehre zu uns zurück!»
Er wandte sich zum Gehen. Ich reichte ihm meine Hand. Er betrachtete mich misstrauisch, dann nahm er sie zögernd, aber er nahm sie.
«Wir werden sehen», sagte er, und die Worte klangen wieder mehr wie an ihn selbst denn an mich gerichtet. «Grüße mir Chilon.»
    Nachdem Hippokrates die Kajüte verlassen hatte, legte mir der persische Kapitän seinen Arm um die Schulter und brachte mich zum Steg. Ich sah, wie mich meine Bogenschützen vom Pier aus erstaunt beobachteten, denn der Kapitän zog seinen Arm auf dem ganzen Weg nicht zurück. Perserfreund , das Schandwort schien schon auf ihren Lippen zu liegen. Ich war gespannt, wie lange es dauern würde, bis Anaxos davon wusste. Mit einem Fuß hatte ich die Planke schon betreten, als der Kapitän mich zurückhielt.
    «Du bist ein ehrenvoller Grieche», sagte er. «Ich dachte schon, es gäbe keine. Ich danke dir.»
«Ich wüsste nicht, wofür», entgegnete ich. Ich verstand nicht, was mir der Kapitän sagen wollte – wie sollte ich auch? Um die plötzlich eintretende Stille zu überspielen, wünschte ich ihm und seinem Schiff gute Fahrt und meinte beiläufig, dass wir uns vielleicht einmal wiedersehen würden.
«Das ist gut möglich», entgegnete er mit eigentümlichem Ernst und traurigen Augen. «Aber ich fürchte, ein Wiedersehen wird dir nicht viel Freude bringen.»
«Was meinst du damit?», fragte ich, denn mir war klar, dass mir der Perser nicht hatte drohen wollen. Er hatte etwas anderes gemeint.
«Nichts», entgegnete er verlegen, «ich habe schon zu viel gesagt. Passt auf euch auf, ihr Athener!», und schon hatte er sein Gesicht wieder hinter der undurchschaubaren Maske des Orientalen verborgen. Noch einmal fragte ich nach, was er gemeint habe, als er sagte, ein Wiedersehen würde mir keine Freude bringen, aber er blieb stumm und seine Züge unergründlich. Sie waren wie gefroren, sogar seine Augen blieben starr. Also verließ ich das Schiff ohne eine Antwort. Heute kenne ich sie, denn wir trafen uns wieder – beinahe am selben Ort. die sonne ging schon unter, als ich endlich wieder in der Kaserne ankam. Ich gab Ariadne in die Obhut des Stallknechts. Vor dem Eingang des Haupthauses saß ein junger Mann, der mir nicht fremd war. Er hatte den Chiton gewechselt und trug einen Lederbeutel um die Schulter, wie sein Lehrer dies auch tat. Er erhob sich und winkte mir zu. Chilon war noch ein wenig bleich, und beim Näherkommen sah ich, dass seine Augen glasig schimmerten. Ansonsten schien er den nachmittäglichen Rausch aber gut überstanden zu haben.
«Wo ist also der Patient?», fragte er eine Spur zu laut und zu forsch, als ich vor ihn trat.
«Leise», sagte ich, «die Wände haben Ohren.» Ich führte Chilon in das Haupthaus. In der Eingangshalle saßen drei Toxotai beim Würfelspiel. Ihre Waffen und Harnische abgelegt, vertrieben sie sich so die Zeit ihrer Abendwache. Sie blickten kurz auf und grüßten.
«Alles ruhig?», wollte ich wissen. Ja, es sei alles ruhig, bestätigten sie.
Die Schreibstube war leer. Mysons Tisch war fein säuberlich aufgeräumt. Das war ein Ritual, das er jeden Abend

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