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Mord im Garten des Sokrates

Mord im Garten des Sokrates

Titel: Mord im Garten des Sokrates Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Berst
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Haufen vor Dreck starrender Athener …
    Die Weihefeierlichkeiten sollten bis in die Nacht dauern, aber als die Sonne untergegangen war, machten mein Vater und ich uns auf den Weg nach Hause. Mit dem heutigen Tag war meine Amtszeit als Hauptmann beendet, und ich hoffte, ich könnte hinter mir lassen, was ich erlebt hatte, zurückkehren in meines Vaters Geschäft und vergessen. Schon schien mir fern, was sich doch vor kurzem erst ereignet hatte …
    Die Hoffnung trog, natürlich trog sie. Wir können die Geschehnisse erst vergessen, wenn auch sie sich unser nicht mehr erinnern wollen. Ich war den Dingen noch allzu nah.
    Es war finstere Nacht, als wir durch den Kerameikos kamen. Der Boden war nass und schlammig. Wir hörten hinter uns Schritte nahen, schnelle, militärische Schritte. Drei Mann mochten es sein, die da hinter uns gingen. Mein Vater sah mich fragend und beunruhigt an. Ich winkte ab. Bei Nacht und auf diesen Wegen bildete man sich viel zu leicht etwas ein. Ein Überfall kam schnell und lautlos, wie der von den beiden Kerlen, die mir aufgelauert hatten. Wir bogen ab, die Schritte folgten. Wir waren Kurz vor der Straße zu unserem Haus angelangt, als die Männer hinter uns aufschlossen. Doch ein wenig beunruhigt, griff ich meinen Vater wieder am Arm und zog ihn in eine Seitengasse. Ich wollte die Männer vorbeigehen lassen. Aber sie gingen nicht vorbei. Schnell drehte ich mich. Eine Klinge leuchtete auf, und ein von einer Narbe entstelltes Gesicht grinste mich an. Mein Vater schrie. Ich duckte mich und sprang nach vorn. Das Schwert schlug hinter mir in die Wand. Ich bekam eine Kehle zu fassen und ging mit meinem Angreifer zu Boden. Ich drückte zu, so fest ich nur konnte. Fauliger Atem stieg mir ins Gesicht. Da explodierte etwas in meinem Kopf. Neben mir hörte ich meinen Vater stöhnen. Dann versank ich in dem Dunkel, das mich umgab.
    Ich war auf einer weiten Ebene, kein Mensch weit und bereit. Vor mir stand ein marmorner Tempel, über mir die Sonne. Aber es war nicht die Sonne, die schien. Der Tempel leuchtete der Sonne und trug den Himmel und seine Weiten. Ein Adler kreiste am Himmel und war ihm Freund. Der Adler flog, weil der Tempel ruhte.
    Es begann zu regnen. Ich fühlte Wasser auf meiner Stirn. Langsam schlug ich die Augen auf und sah in Aspasias Gesicht. Wie ein Blitz durchzuckte stechender Schmerz meinen Schädel. Aus einem Augenwinkel erkannte ich unser großes Zimmer. Ich war dort, wo alles begonnen hatte. Aspasia kniete bei mir und wischte mit einem Schwamm über meine Stirn. Es roch nach Blut und Essig. Eine Wunde pulsierte an meinem Kopf. Etwas Feuchtes lief meine Schläfen entlang. An der Tür lehnten Thrasybulos und Myson. Sie hatten besorgte Gesichter, sahen aber nicht zu mir hinüber. Mühsam richtete ich mich auf und folgte ihrem Blick. Auf der Liege an der hinteren Wand lag mein Vater. Chilon kümmerte sich noch um ihn, aber der Tod hatte ihn schon zu sich hinübergezogen.

Zweites Buch
Die dreissig Tyrannen
    Ein abend auf der Agora! Am Himmel verschwand die Sonne in sanftem Abendrot, die Händler entzündeten ihre Öllampchen und Laternen in den Buden, und die Staatssklaven entflammten die Fackeln in den Säulenhallen. Je dunkler es wurde, desto mehr schien es, als werde der gesamte Marktplatz von kleinen Sternen erleuchtet, und als das Licht der Sonne endgültig erloschen war, kreisten Sokrates, Xenophon, Aristippos und ich noch zusammen mit Hunderten von anderen Müßiggängern zwischen den künstlichen Lichtern auf unserer ewig gleichen Runde zwischen Stoa und Tempeln. Wir sprachen wenig. Unser Treffen heute galt mehr der Freundschaft als der Philosophie. Ich fühlte mich frei und leicht, aber nicht sicher – nein, nicht sicher, auch wenn der Anschlag auf meinen Vater und mich nun vier Jahre zurücklag und Anaxos und sein Mordgeselle mich vergessen zu haben schienen – oder doch zumindest nicht mehr fürchteten.
    In den ersten Wochen nach dem Tod meines Vaters hatte ich selbst bei Tage kaum gewagt, das Haus zu verlassen, aus Furcht, jene hässliche, vernarbte Fratze lauere mir auf, um mich endgültig zu ermorden. Zu meinem Glück besuchten Thrasybulos und Myson mich beinahe jeden Tag und standen mir in meiner Trauer um den Vater, aber auch in meiner Angst um mein Leben und um das Leben meiner Familie bei. Sie waren es, die mir dabei halfen, das Haus wieder zu verlassen, und sie begleiteten mich, als ich meinen Fuß endlich wieder vor die Tür zu setzen vermochte. So habe ich ihnen

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