Mord Im Garten Eden
rechtschaffen. Sie hat ihre zehn Söhne dazu angehalten, lieber zu sterben, als sich den hellenischen Sitten zu unterwerfen.«
»Und? Haben sie auf sie gehört?«, fragte Karl.
»Kann man so sagen. Der Jüngste war erst sechs, nahm aber lieber den Tod in Kauf, als sich den griechischen Göttern und Göttinnen zu beugen.«
»Ganz schrecklich ist das«, sagte Groucho. »Ein sechsjähriges Kind. Was weiß das schon?«
»Sie waren vermutlich früher reif damals«, meinte Karl. »Haben nicht ohnehin die meisten mit dreißig schon ins Gras gebissen?«
»Egal. Der Kleine war erst sechs«, sagte Groucho.
»Eure Firmenfolter wird bestimmt nicht so grausam sein wie das«, mischte sich Feinermann ein.
Karl sagte: »Wenn es Ihnen hilft, an dieses Frauenzimmer zu denken, Rabbi, umso besser für Sie.«
»Dann werde ich an Channah denken. Und ich werde auch an die zehn Märtyrer denken, über die unser Volk an Yom Kippur liest. Unsere heiligsten Rabbis wurden wegen ihres Glaubens von den Römern zu Tode gefoltert. Einer wurde enthauptet, einer verbrannt, einem wurde die Haut abgezogen, und einem, dem berühmtesten aus unseren Sagen, dem Rabbi Akiva, haben sie glühende Rechen übers Fleisch gezogen.«
»Diese Römer waren wirklich unzivilisierte Menschen!«, rief Groucho aus. »Gladiatoren, Löwengruben und sie haben Männer Gottes gefoltert. So etwas würde nicht einmal Mr. P. einfallen.«
»Beruhigend«, sagte Feinerman.
»Genau, Rabbi, das ist genau die richtige Einstellung!«, lobte Karl ihn.
Feinermann dachte: Vielleicht war dies nun seine Chance, zu seinem Glauben zu stehen wie die zehn Märtyrer. Immer war es der kleine Jude gegen die Mächtigen - die Perser, die Römer, die spanische Inquisition, die Kosaken und, am tödlichsten, die Nazis. Ganz zu schweigen von Tommy Hoolihan, der Feinermann zwei Jahre lang tagtäglich verprügelt hatte, wenn der kleine zehnjährige Junge mit der großen schwarzen Kippa vom Heder nach Hause ging. Seine Mutter dachte, die blauen Flecke, die er sich dabei zugezogen hatte, rührten von Stürzen her. Vermutlich war er für sie das tollpatschigste Kind in ganz New York gewesen.
Zweitausendfünfhundert Jahre Verfolgung.
Dennoch weigerten sich die Juden, als Nation zu sterben. Könnte er, wie Rabbi Akiva, mit den Worten des Shma Yisrael auf den Lippen sterben und sie wirklich so meinen?
Feinermann dachte darüber nach, während die beiden maskierten Männer ihn seinem Schicksal zuführten.
Vielleicht könnte er als echter Märtyrer sterben, vielleicht nicht. Aber wenn er es nicht könnte, wollte er sich darum nicht allzu viele Gedanken machen. Denn: Wie viele Rabbi Akivas gab es schon im Laufe einer Lebensspanne?
Er hatte mit Dunkelheit und Schmutz gerechnet, mit Ketten und Schlingen, die von der Decke hingen. Und mit rotäugigen, ausgemergelten Ratten, die nur darauf warteten, seine Kischke aufzufressen. Stattdessen schafften sie Feinermann in einen halbkreisförmigen Kinosaal. Der Zuschauerraum bestand aus einer Breitwand-Leinwand und einem halben Dutzend Sitzreihen mit Plüschsesseln, alles in allem mochten es fünfzig Plätze sein.
Nicht so übel für ein Verlies , dachte Feinermann.
Sie setzten ihn in eine der mittleren Reihen und fesselten ihn mit Beinen und Händen an den Sessel. Ängstlich schaute er zu, als Karl eine Rolle Abdeckband hervorholte. Aber alles, was Marx tat, war, die Augen des Alten so zu verkleben, dass sie offen blieben. Nicht so fest, dass er die Lider zum Reinigen des Auges nicht kurz schließen, aber fest genug, dass er die Augen nicht geschlossen halten konnte.
»Schreien Sie, wenn Sie es nicht mehr aushalten können.« Karl stand auf. »Nehmen Sie es nicht persönlich, Rabbi. Ich würde Ihnen gern helfen, aber ich kann nicht.« Er näherte sich dem Ohr des Rabbi und flüsterte: »Ich bin Elvis einen Haufen Kohle schuldig.«
»Elvis?«, fragte Feinermann nach.
Karl fluchte, schlug sich auf die Gesichtsmaske und flüsterte: »Das ist Grouchos richtiger Name. Sagen Sie bloß nichts, sonst haben wir beide ein Riesenproblem. Bringen wir’s einfach hinter uns.«
Als Groucho das Licht dimmte, wartete Feinermann ergeben und wunderte sich, weshalb Elvis sich nicht unter einer Elvis-Presley-Maske versteckt hatte. Diese Verkleidung wäre irgendwie logisch gewesen.
Bald saß der alte Mann in völliger Dunkelheit. Alles, was er hören und spüren konnte, waren Empfindungen, die sein eigener Körper produzierte - das Rauschen des Blutes durch den Kopf,
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