Mord Im Garten Eden
ausdruckslos wie seine Augen. Seit Betreten des Büros hatte er kein Wort gesprochen.
Rina betrachtete die Familienmitglieder, die weniger ernst als erwartungsvoll aussahen. Da war Edwina Lettiger mit ihrem dem Anlass entsprechenden schwarzen Kleid und ihr Mann Garth in schwarzem Anzug. Ihre Töchter Lily und Brooke, um die zwanzig Jahre alt, trugen dunkle Kleidung, die ihr langes weißblondes Haar dramatisch hervorhob. Die großen, schlanken Mädchen schienen eher aufgeregt als nervös zu sein. Meredith Eden, angetan mit einem schwarzen Shirt und langer Hose, saß völlig abseits mit rot umränderten Augen und gerunzelter Stirn.
Cecily hatte diesen Tag gut vorausgeplant, indem sie ein Testament verfasst hatte und damit das Nachlassgericht umging. Ihre Anweisungen waren klar. Jede ihrer Enkeltöchter wurde mit fünfzigtausend Dollar Bargeld belohnt. Die Mädchen kreischten laut, als sie die Neuigkeiten vernahmen und umarmten einander. Der Rest von Cecilys Eigentum - ihr Haus und das Inventar, alle ihre Aktien und Anleihen sowie das verbliebene Bargeld auf ihren Konten - sollte zu gleichen Teilen ihren beiden Töchtern zufallen.
Das »Bargeld« stellte sich als ein beträchtlicher Betrag heraus: dreihunderttausend Dollar. Beide Schwestern rangen nach Luft, als sie den Betrag erfuhren. Sie strahlten übers ganze Gesicht, rannten aufeinander zu und umarmten einander wie Verliebte nach einer langen Trennung. Rina kam es seltsam vor, dass Cecily zwanzigtausend Dollar in bar in einer Schrankschublade aufbewahrt haben sollte, wo sie doch so viel auf der Bank und in einem Depot hatte. Unwillkürlich kam ihr der Verdacht, dass die Schwestern sich die ganze Geschichte vielleicht nur ausgedacht hatten. Aber was hatten sie sich dann davon versprochen, mit dem Finger auf Lee Kwan zu zeigen, wenn sie das Geld nicht von der Versicherung beanspruchen konnten?
Vielleicht hatte Cecily das Bargeld aufbewahrt, um exotische Pflanzen oder Kunstgegenstände auf dem Flohmarkt zu kaufen.
Aber zwanzigtausend Dollar?
Die ganze Sache war sehr merkwürdig.
Die Familie hörte kaum noch zu, als Mr. Mortimer alle Topfpflanzen und Blumen Mr. Kwan zusprach. Und es kümmerte sie auch nicht, dass Rina alle Illustrationen zugesprochen wurden: alle Malereien, Zeichnungen, Kohlezeichnungen, Aquarelle und Drucke, die an Cecilys Wänden hingen.
Alles in allem waren es dreiundsechzig Bilder. Rina war verblüfft. Ja, sie hatte Interesse an der Sammlung gezeigt, wenn Cecily ihr wieder einmal ihre neuesten Anschaffungen präsentiert hatte, aber doch nur aus Höflichkeit. Kwan beugte sich zu ihr und flüsterte: »Ich bin froh, dass Sie bekommen das und nicht die da. Miss Cecily hat Pflanzen geliebt genau wie Sie.«
Rina liebte Pflanzen, aber nicht alle diese Bilder von Pflanzen. Was in aller Welt sollte sie mit dreiundsechzig gerahmten Bildern anfangen? Aber sie lächelte und gab vor, sehr dankbar zu sein.
Kwan flüsterte: »Sie wollen eine Orchidee? Ich habe nicht Platz für alle.«
»Vielleicht ein paar. Hätten Sie Interesse an ein paar von den Bildern?«
Er schüttelte den Kopf: »Nein, ich habe kein Platz.«
Rina ebenfalls nicht. Nachdem der Nachlass verteilt war, standen alle auf. Kwan sagte: »Ich komme am nächsten Sonntag und hole die Pflanzen.«
Edwina grinste. Eine so große Summe geerbt zu haben, hob ihre Stimmung beträchtlich. »Sie werden früher kommen müssen, Mr. Kwan«, sagte sie leutselig. »Meredith und ich werden das Haus verkaufen. Wir haben einen Makler, der sich das Haus am Samstag ansehen will, und ich muss dieses hässliche Gewächshaus loswerden.«
Kwan seufzte. »Also gut, ich komme Freitag.«
»Kommen Sie mit einem großen Lastwagen«, sagte Edwina. »Was Sie nicht mitnehmen, wird weggeworfen.« Sie wandte sich an Rina. »Das Gleiche gilt für Sie.«
Rina faltete nervös die Hände und fragte sich immer noch, was sie mit den ganzen Bildern an den Wänden machen sollte. Vielleicht könnte sie einen privaten Flohmarkt organisieren. »Wenn Sie oder Ihre Schwester irgendwelche Bilder aus der Sammlung Ihrer Mutter haben wollen, nehmen Sie sich einfach, was Ihnen gefällt, bevor ich mir den Rest hole.«
»Sie können alle haben«, sagte Meredith verächtlich. »Ich hätte nichts dagegen, wenn ich nie mehr eine Blume sehe. Mama hat Blumen vermutlich ohnehin lieber gemocht als mich.«
»Am Ende hat sie sich aber doch wieder an uns erinnert, Merry«, sagte Edwina.
»Minus die zwanzigtausend«, betonte Meredith. »Ich
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