Mord Im Garten Eden
»Jetzt hast du’s kapiert. Monopoly ist nicht wie das wirkliche Leben, Christy. Im wirklichen Leben gibt es so was wie Frei Parken nicht.«
Kate sagt: »Für mich symbolisiert Frei Parken Stagnation. Man geht nirgendwohin, man tut nichts. Man sitzt einfach nur da.«
»Oder es könnte die flüchtige Ruhepause sein, nach der wir uns alle sehnen«, sagt Mama. »Die Gelegenheit, zu meditieren, ohne dass uns jemand stört.«
»Für mich ist Frei Parken wie die Familie«, sagt Oma.
»Das ganze Spiel ist eine Metapher für die Familie«, sagt Kate.
»Echt?«, frage ich.
Oma tätschelt mir die Hand. »Das wirst du verstehen, wenn du selber Kinder hast.«
Ich nicke, als hätte ich verstanden.
»Und in der Zwischenzeit kassiere ich fünfhundert Mäuse.« Oma schnappt mir den Schein aus der Hand.
Renee sagt: »Du weißt schon, Allison, wenn Christy sich beeilt und ein Kind kriegt, kannst du es bei den Hathaways auf fünf Generationen Frauen bringen.«
»Ich bin erst zwölf«, merke ich an.
»Sagen wir, du kriegst ein Kind mit zweiundzwanzig«, meint Kate. »Nicht so unwahrscheinlich.«
»Überhaupt nicht«, gibt Oma ihr recht.
»Das bedeutet, dass Mama siebenundneunzig werden muss«, sagt Renee.
»In Mamas Familie werden alle alt«, sagt Kate.
»Es wäre besser, das Kind mit zwanzig zu kriegen«, stellt Renee fest.
Oma sagt: »Mama, ist deine Mutter nicht zweiundneunzig geworden?«
Uroma grunzt zweimal.
»Dreiundneunzig, entschuldige bitte«, sagt Oma.
Renee sagt: »Dann halbierst du die Differenz und kriegst ein Kind mit einundzwanzig, Christy.«
»Danke, dass ihr mein Leben für mich plant«, sage ich.
»Ach, Christy«, winkt meine Oma ab. »Verstehst du keinen Spaß?«
Ich sage nichts, weil ich weiß, dass sie keinen Spaß macht. »Wer ist dran ?«, frage ich wütend.
»Mama, bist du dran?«, fragt Renee.
»Uroma war schon dran«, sage ich. »Sie hat die Chausseestraße gekauft. Schon vergessen?«
»Dann mach ich mal weiter«, sagt Renee. »Außer, du willst vor mir würfeln, Kate.«
Ich platze heraus: »Sagt mal, könnt ihr überhaupt irgendwann etwas fertig machen? Ihr zieht so langsam und quatscht so viel, dass es Ostern ist, bis wir fertig sind.«
Fünf Augenpaare starren mich an. Sogar Uroma schaut mich an. Mir ist es plötzlich peinlich, so herausgeplatzt zu sein. Niemand weiß, was er sagen soll, und ich murmle eine Entschuldigung.
Renee tätschelt meinen Arm. »Ja, ja, die Jugend.«
»Es ist schwer, mitten unter einem Haufen alter Damen zu sein«, sagt Kate.
»Ach was, eigentlich nicht«, sage ich. »Mir fehlt nur die Geduld.« Ich nehme die Würfel und gebe sie Renee. »Du bist dran.«
Zuerst sind alle still, und ich habe ein ziemlich schlechtes Gewissen. Aber nach ein paar Minuten fängt das Gequatsche wieder an. Ich beiße mir auf die Lippen und stehe es durch. Die restliche Besuchszeit zieht sich. Ich versuche, sie zu verstehen, ich versuche, Geduld zu haben, ich versuche sogar, über die wahre Bedeutung von Frei Parken nachzudenken. Aber ich wetze unruhig herum und mache vermutlich alle nervös. Zwei Stunden später ist das Spiel immer noch im Gang. Renee schaut auf die Uhr und sagt, dass sie jetzt zu ihrem Friseurtermin muss. Ohne weitere Umstände packen wir das Brett weg, stehen auf und geben Uroma einen Abschiedskuss. Nächste Woche werden sie sich wieder auf ein Spielchen treffen. Ich bin sicher, dass es ihnen sehr recht sein wird, dass ich dann in der Schule sein werde.
Nachdem Mama ihre Verwandten abgeladen hat, sage ich zu ihr: »Wie hältst du das nur Woche für Woche aus?«
»Wie halte ich was aus?«
»Das Spiel, Mama. Das zieht sich so elend lang hin. Wie langweilig das ist!«
»Das hängt davon ab, was du von dem Spiel erwartest, Christy. Für dich ist der Ausgang wichtig - wer gewinnt, wer verliert. Für deine Oma und ihre Schwestern ist es der Verlauf. Das Spiel ist für sie nur ein Vorwand, zusammenzukommen und zu plaudern.«
»Und warum kommen sie dann nicht einfach zusammen und plaudern?«
»Weil dann Uroma nicht mit von der Partie wäre.«
»Sie ist ja auch jetzt kaum mit von der Partie. Sie bewegen ihre Spielfigur, sie quatschen, ohne sie anzusprechen. Und sie tut nichts, außer gelegentlich zu grunzen.«
Mama lächelt mich an und gibt mir einen Kuss auf die Wange. »Das wirst du verstehen, wenn du älter bist.«
»Ja, genau, und das gilt auch für die Philosophie von Frei Parken.«
Meine Mama sagt einen Moment lang nichts. »Einige Leute rasen mit
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