Mord Im Garten Eden
ich anfangen soll.« Ihre Stimme war ein Flüstern.
»Ich schlage vor, Sie fangen am Anfang an.«
»Aber genau darum geht es, Mrs. Decker. Ich kenne...«
Eine Pause. Rina fragte: »Kenne was, Eve?«
»Ich kenne den Anfang nicht.« Wieder ein Zögern. »Ich kenne weder den Anfang noch das Ende.« Sie schaute Rina fest in die Augen. »Ich kenne überhaupt nichts, weil ich nicht weiß, wer ich bin.« Sie kämpfte mit den Tränen. »Das meine ich buchstäblich. Ich habe keine Erinnerung an die Vergangenheit.«
Rina schlüpfte unter die Bettdecke und genoss die wohlige Wärme der Decke und das weiche Kissen unter ihrem Kopf. Sie schaute zu Peter hinüber und nahm dann seine Hand. »Ich bin zwar keine Neurologin«, sagte sie, »aber ich glaube nicht, dass es ein Gehirntumor oder so was ist. Eve ist geistig voll auf der Höhe. Auf die Gefahr hin, dass sich das sehr nach hoher Psychologie anhört, würde ich sagen, dass es eine Art dissoziativer Amnesie sein könnte.«
»Sehr hohe Psychologie.« Decker steckte ein Lesezeichen in sein Buch, legte es auf den Nachttisch und schaltete die Leselampe aus. Er strich mit den Fingern über seinen rötlichen Schnurrbart. »Sie sollte sich medizinisch untersuchen lassen, Rina. Und zwar so schnell wie möglich.«
»Völlig richtig«, stimmte Rina zu. »Das habe ich ihr auch schon geraten.«
»Und was hat sie geantwortet?«
»Sie ist überzeugt davon, dass es nichts Physisches ist. Sie ist sich sicher, dass der Verlust ihres Erinnerungsvermögens damit zusammenhängt, dass sie vor etwas flüchtet, was ihr seelisch außerordentlich zusetzt.«
»Und warum will sie zu keinem Therapeuten?«
»Weil sie zu viel Angst hat.«
»Ziemlich schlaue Erkenntnisse, Rina«, meinte Decker. »Für mich hört sich das wie ein schlechter Film an. Bist du sicher, dass sie dich nicht auf den Arm nimmt?«
»Keine Ahnung.« Rina dachte über die Worte ihres Mannes nach. »Aber warum sollte sie das tun?«
»Um sich wichtigzumachen.«
»Ach, ich weiß nicht, Peter. Sie kommt mir wirklich verstört vor.« Rina schwieg. Dann: »Gehen wir momentan doch einfach davon aus, dass ihre Amnesie echt ist, ja?«
Er zuckte die Achseln: »Okay.«
»Wie würdest du vorgehen, wenn du nach ihrer wahren Identität suchen wolltest?«
»Wie ich vorgehen würde?« Decker lächelte. »Ich würde sie zu einem Psychiater schicken und ihm oder ihr die ganze Arbeit überlassen.«
»Ich meinte als Kriminalbeamter.«
Decker hob die Augenbrauen. »Ich merke gerade, dass du mich da unbedingt hineinziehen willst. Also gut. Sag mir zuerst, was du glaubst.«
»Zuerst einmal hört sie sich gebildet an.«
»Inwiefern?«
»Die Art, wie sie mit der Sprache umgeht. Ihre Syntax und ihr Vokabular.«
»Ein Studium?«
»Ja, vermutlich.«
»Erinnert sie sich daran, ob sie auf der Uni war?«
Rina schüttelte den Kopf. »Ihre Vergangenheit ist ein unbeschriebenes Blatt für sie, Peter. Bis auf ihren Namen. Sie glaubt, dass sie ursprünglich Eve Miller oder so ähnlich hieß. Sie sagte auch, dass ihr der Name Eve gefällt, weil Eva die erste Frau war.«
»Auch der erste Mensch, der gesündigt hat.«
»Dieser Tatsache ist sie sich bewusst.«
»Und trotzdem weiß sie nicht, wie sie zu ihrem Wissen über die Bibel gekommen ist?«
»Nein. Nur dass sie die Bibel genauso kennt, wie sie auch weiß, wie man einen Rechner benutzt oder ein Buch liest. Sie sagte, dass sie ursprünglich aus genau diesem Grund in meine Vorlesung gekommen ist - um mich über jüdische Gesetze und Bräuche sprechen zu hören. Sie hoffte, dass das vielleicht etwas bei ihr auslösen könnte.«
»Und?«
»Nichts. Die jüdischen Rituale sind ihr fremd.« Rina drehte sich auf die Seite und schaute ihm ins Gesicht. »Weißt du, was ich glaube? Sie ist in einem religiösen Umfeld aufgewachsen, vielleicht in einer Familie von Kirchgängern.«
»Eine studierte Person mit religiöser Erziehung«, sagte Decker. »Aber du glaubst nicht, dass sie Jüdin ist, weil ihr jüdische Bräuche fremd sind - aber die Bibel kennt sie.«
»Genau.«
»Wenn sie keine Jüdin ist, welche Religion hat sie dann?«
»Zuerst dachte ich an katholisch. Aber ich glaube, dass die meisten Katholiken eher den Katechismus als die Bibel kennen.« Sie sah Decker an und wartete auf eine Bestätigung.
Er sagte: »Keine Ahnung.«
Sie seufzte. »Ich würde sagen, dass sie vielleicht als fundamentalistische Christin, vielleicht als Baptistin oder Evangelistin erzogen worden
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