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Mord Im Garten Eden

Titel: Mord Im Garten Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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zurückkehrt, um in der Gegenwart herumzugeistern - ein Lieblingsthema von mir. Auch wenn wir von unserer eigenen Vorgeschichte nicht gesteuert werden, so sind wir doch die Summe unserer Erfahrungen. Die Art, wie wir mit unserer persönlichen Vorgeschichte umgehen, sagt eine Menge darüber aus, wer wir sind. Diese Geschichte gibt auch einen kleinen Einblick in Rina Lazarus’ Vergangenheit.
    Als Studentin war Eve Miller anders - nicht direkt merkwürdig, aber sie unterschied sich von anderen. Und weil Rina Decker eine erfahrene Lehrerin war, wusste sie das intuitiv, obwohl sie einige objektive Gründe hätte vorbringen können, weshalb Eve für sie einzigartig war.
    Erstens hatte die junge Frau deutlich bessere Grundkenntnisse über die Bibel vorzuweisen als Rinas andere Schüler in ihrer Erstsemester-Vorlesung Einführung in das Judentum . Obwohl auch Eve Wissenslücken hatte, kannte sie die Geschichten der Genesis und des Exodus auswendig und war sogar in der Lage, ganze Passagen aus dem Gedächtnis zu zitieren. Und noch beeindruckender fand Rina, dass sie auch mit den späteren religiösen Texten, insbesondere mit dem Buch der Propheten, vertraut war.
    Zweitens fehlte Eve der typische Feuereifer, mit dem die neugeborenen Juden - die ba’alei tshuva -, die Rina normalerweise unterrichtete, ihre Religion praktizierten. Ganz im Gegenteil: Eve sträubte sich sichtlich, sich zur orthodoxen Lebensweise zu bekennen. Sie stellte bohrende Fragen und analysierte Rinas Erläuterungen. Anscheinend war Eve sich ihrer Spiritualität nicht sicher, und daher war Rina nicht überrascht, als Eve eines Abends nach dem Unterricht noch blieb und wartete, bis die anderen gegangen waren.
    Vielleicht hatte Eve ihren ganzen Mut zusammengenommen; schließlich war sie jung - Anfang zwanzig, während die meisten anderen Schüler fast schon dreißig waren. Sie war bildhübsch, mit kurzen blonden Haaren, unter denen Ohrläppchen mit goldenen Ohrsteckern hervorlugten. Ihr Teint war zart, ihre Wangen natürlich gerötet. Ihre Lippen waren voll, und ihre Augen funkelten grün. Sie war adrett und konservativ gekleidet: schwarze Hose, weiße Bluse unter einem Pulli mit rundem Ausschnitt, flache Schuhe. Sie war relativ groß, etwa eins siebzig. Ihre Skriptenmappe war immer ordentlich, ihre Handschrift leserlich und sauber.
    Der Unterricht endete offiziell zwar um neun Uhr abends, aber eine Flut von Kommentaren in letzter Minute zog immer wieder langwierige Diskussionen nach sich. Es rührte Rinas Herz, dass ihre Studenten mit so viel Begeisterung bei der Sache waren, dass sie darüber die Zeit vergaßen. Aber irgendwann musste sie den Diskussionen nach Unterrichtsende einen Riegel vorschieben. Schließlich hatte Rina noch ein Privatleben. Trotzdem hatte sie immer Gewissensbisse, wenn sie verkündete, dass es nun Zeit sei, nach Hause zu gehen.
    Und selbst nachdem sie die Klasse offiziell weggeschickt hatte, gab es immer noch welche, die nur noch eine Frage oder einen letzten Kommentar loswerden wollten. Wie konnte sie ihren Studenten in einer so wichtigen Phase ihrer religiösen Entwicklung einfach das Wort abschneiden? Wenn man es recht betrachtete, gab es für Rina keine dringende Notwendigkeit, nach Hause zu hetzen. Ihre Söhne waren schon fast junge Männer und hatten bestimmt keine mütterliche Fürsorge mehr nötig. Hannah war zwar erst sechs Jahre alt, schlief aber um neun schon tief und fest. Und Peter fand immer eine Möglichkeit, sich zu beschäftigen. Dennoch schätzte Rina ihre privaten Stunden mit ihrem Ehemann. Als Lieutenant bei der Polizei arbeitete Peter viel und oft bis spät in die Nacht, und sie konnte nie sicher mit ihm rechnen.
    Aber nun hing Eve noch hier herum und wippte mit dem Fuß, ein Zeichen dafür, dass sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte. Ihre Arme lagen verschränkt über der Mappe, die sie an ihre Brust drückte. Ihre Miene zeigte Anspannung. Rina wusste, dass die junge Frau jemanden zum Reden brauchte. Es dauerte zwanzig Minuten, bis auch der letzte Student verschwunden war. Schließlich waren nur noch sie beide im Raum.
    Rina stapelte die losen Blätter auf, die verstreut auf ihrem Schreibtisch lagen. Sie lächelte. »Hallo, Eve, kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Sie sehen beschäftigt aus.«
    »Überhaupt nicht.« Rina deutete auf einen leeren Stuhl. »Setzen Sie sich bitte. Was gibt es?«
    Eve setzte sich und legte den Notizblock auf ihren Schoß. Sie leckte sich über die Lippen. »Ich weiß nicht, wo

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