Mord Im Garten Eden
näher, dass er auf Bäume gezielt hat«, sagte Decker.
»Okay, dann suchen wir jetzt Einschusslöcher in den Baumstämmen.«
Decker starrte sie an.
»Dad, selbst wenn Holstetter jetzt mit der Wahrheit herausrückt, werden sie ihm nicht glauben, weil er es gestern verschwiegen hat. Sie werden ihm den Mord anhängen. Und wenn wir nun schon mal da sind: Was ist schon eine Stunde oder so?«
»Eine Stunde oder so bei eiskalten Temperaturen ist Folter«, sagte Decker, aber er begann, sich umzusehen. Weil die Kleine recht hatte.
Cindy saß in einem trostlosen, fensterlosen Raum, umgeben von Polizisten, die eine stetige Geräuschkulisse produzierten, und hoffte inständig, eines Tages dazuzugehören. Sie wartete auf ihren Vater, der seine Aussage bei den diensthabenden Beamten machte. Bei ihm dauerte es entschieden länger als bei ihr, dachte sie - seine Beobachtungen hatten wohl deutlich mehr Gewicht als ihre.
Eine halbe Stunde später kam ihr Vater heraus. Sie stand auf und sah ihn fragend an. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und sagte: »Gehen wir.«
»Was haben sie -«
»Warte, bis wir im Wagen sind.«
Sie gingen schnell auf den Porsche zu. Kaum hatte sie sich angeschnallt, legte Decker einen Kavalierstart hin. Er stellte die Heizung an.
»Hat Holstetter zugegeben, dass er seine Waffe leergeschossen hat?«, wollte Cindy wissen.
»Nachdem sie ihm den Mord anhängen wollten, hat er es auf der Stelle zugegeben«, sagte Decker. »Aber da war es mit seiner Glaubwürdigkeit bereits vorbei. Keiner hat ihm seine Geschichte abgenommen.«
Er unterbrach sich und lobte seine Tochter. »Er hat dir einiges zu verdanken, Cindy. Du hast ihn vor dem Gefängnis bewahrt. Auf der Grundlage unserer Aussagen und der Beweise, die wir geliefert haben, wird die Anklagevertretung mit der Verteidigung vermutlich eine Absprache auf fahrlässige Tötung treffen. Holstetter wird vermutlich nur Bewährung und soziale Arbeit aufgebrummt kriegen. Aber seine Karriere als Polizist kann er sich abschminken.«
Cindy nickte schweigend.
Decker sagte: »Wenn du eine Waffe trägst, trägst du auch die Verantwortung für alles, was damit zusammenhängt. Holstetter hat sich dieser Verantwortung nicht gestellt, und das hat ein Leben gekostet. Wenn man daraus überhaupt eine Moral ableiten kann, ist es diese: Du sollst nicht mit Schusswaffen herumspielen.«
»Trotzdem tut es mir leid für ihn«, sagte Cindy. »Er wollte es doch nicht tun.«
»Weiß ich«, sagte Decker, »aber die Rigor ist trotzdem tot.« Er drehte die Heizung herunter. »Eine dumme, dumme Tragödie. Aber seit diesem Tag danke ich Gott jeden einzelnen Augenblick dafür, dass du einen halben Meter von Rigor weg warst, als sie getroffen wurde.«
»Ja, ich -« Cindy wechselte abrupt das Thema. »Hast du ihnen unsere Theorie über die Flugbahn der Kugel erzählt? Über die Kratzspuren auf den beiden Baumstämmen und den Ablenkungswinkel, der direkt auf das Fenster zeigt?«
»Ja.«
»Was haben sie dazu gesagt?«
»›Höchst unwahrscheinlich‹... so was in der Art. Trotzdem haben sie die Theorie ernster genommen, als sie zugeben wollten, weil sie die Anklage tatsächlich herunterschrauben wollen.« Er lächelte. »Geschadet hat es nicht, dass wir noch sechs andere Patronen in den Baumstämmen gefunden haben, die auch zu Holstetters Pistole passten. Das hat die Glaubwürdigkeit seiner Aussage auf jeden Fall gestützt.«
Schweigend fuhren sie weiter. Schließlich sagte Cindy: »Unsere Gruppe... glaubst du, dass die Akademie uns wieder aufnimmt?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Akademie viel von kollektiver Bestrafung hält. Warum sollten sie euch also nicht wieder aufnehmen - außer Holstetter natürlich? Aber sie werden euch mit Argusaugen beobachten.«
»Verständlich.«
»Mehr als verständlich.« Decker unterbrach sich kurz. »Cindy, hör mir genau zu. Du hast auf dieser Welt nur eine einzige Verpflichtung.«
»Und die wäre?«
»Auf dich aufzupassen. Versprich mir das.«
»So gut ich kann.«
»Das reicht mir nicht.«
»Das ist alles, was ich dir im Moment anbieten kann, Dad.«
Decker sagte nichts. Dafür riss er den Wagen abrupt auf die Fahrbahnseite.
Cindy grinste. »Babykram. 118, Richtung Westen, kurz vor der Abzweigung zur 405 nach Süden. Sonst noch Fragen?«
»Keine«, sagte ihr Vater. »Das war’s. Schulstunde für heute beendet.«
Eine geheimnisumwitterte Frau
»Eine geheimnisumwitterte Frau« erforscht die Vergangenheit, die
Weitere Kostenlose Bücher