Mord Im Garten Eden
verputztes Haus, das eher einem Wohnkomplex glich als einer Stätte des Gebets. Ungefähr fünfundzwanzig Grundschulkinder spielten auf einem Freiluftparkplatz, der von einem Maschendrahtzaun begrenzt wurde. Die Kinder trugen grün-rote Uniformen und sahen wie wandelnder Christbaumschmuck aus.
Ich ging durch das Eingangstor, wich herumrennenden Kindern aus und betrat den Altarraum. Die Kapelle war nicht groß - um die sechs mal zehn Meter - aber durch die beachtliche Raumhöhe erschien sie geräumig. Es gab drei jeweils voneinander getrennte Sitzreihen - die Triade der Pfingstler: verheiratete Frauen rechts, verheiratete Männer links und gemischte junge Singles in der Mitte. Die Kirchenbänke waren zu einer Bühne hin ausgerichtet, auf der ein thronartiger Polstersessel mit rotem Samtbezug stand. Vor dem Thron gab es eine Kanzel, eingezwängt zwischen zwei riesigen Urnen mit blühenden Plastikblumen. Weiter seitlich standen mehrere elektrische Gitarren und ein Schlagzeug bereit. Auf der Basstrommel klebte der Name Revelación. Ich hörte Schritte hinter mir und drehte mich um.
Der Mann sah aus wie Anfang dreißig, hatte dichtes dunkles, glattes Haar und leuchtend grüne Augen. Sein Gesicht erinnerte entfernt an einen Aztekenkrieger - breite Nase, ausgeprägte Wangenknochen und Kinn. Er trug Freizeitkleidung, war groß und muskulös und sich seiner männlichen Erscheinung offenbar durchaus bewusst. Ich fragte ihn, wo ich wohl den Pastor finden könnte, und war überrascht, als er sagte, er sei es selbst.
Ich hatte mit einem älteren Mann gerechnet.
Ich trug ihm mein Anliegen vor, und während ich sprach, haftete sein Blick an mir. Als ich fertig war, sah er mich lange an, dann nannte er seinen Namen - Pastor Alfredo Gomez. Sein Englisch war akzentfrei.
»Martina ist ein liebes Mädchen«, sagte Gomez. »Sie würde nie etwas nehmen, das ihr nicht gehört. Vermutlich gab es Schwierigkeiten. Ich bin sicher, dass sich alles zum Guten wenden wird und Ihre patrona den Ring zurückbekommt.«
»Was für Schwierigkeiten?«
Der Pastor zuckte die Achseln.
»Mit der Einwanderungsbehörde?«, mutmaßte ich.
Wieder ein Achselzucken.
»Sie scheinen nicht besorgt zu sein, dass sie verschwunden ist.«
Er schenkte mir ein kryptisches Lächeln.
»Können Sie mir eines sagen?«, fragte ich. »Sind ihre Kinder in Sicherheit?«
»Ich glaube, sie sind in der Schule«, sagte Gomez.
»Ach so.« Ich war erleichtert. »Hat Martina sie hergebracht?«
»Nein.« Gomez runzelte die Stirn. »Nein. Ihre Schwester hat sie heute gebracht. Aber das ist nicht ungewöhnlich.«
»Sie haben Martina heute noch nicht gesehen?«
Gomez schüttelte den Kopf. Ich glaubte, er sagte die Wahrheit, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht versteckte sich die Frau vor dem INS, dem Immigration and Naturalization Service. Andererseits konnte man annehmen, dass sie nach zwölf Jahren eine Amnestie beantragt haben sollte. Und dann gab es noch die offensichtliche Alternative: Martina hatte den Ring an sich genommen und sich in Luft aufgelöst.
»Haben Sie die Geschäftsnummer von Martinas Mann? Ich würde mich gern mit ihm unterhalten.«
»José arbeitet am Bau«, sagte Gomez. »Ich habe keine Ahnung, bei welchem Trupp oder wo er ist.«
»Was ist mit Martinas Schwester, Yolanda Flores?«, fragte ich. »Haben Sie ihre Telefonnummer?«
Der Pastor schwieg.
»Ich bin nicht von der INS.« Ich kramte in meiner Handtasche und fischte meine Detektivlizenz heraus.
Er warf einen Blick darauf. »Das sagt gar nichts.«
»Ja, stimmt.« Ich steckte meinen Ausweis wieder in die Tasche. »War nur als vertrauensbildende Maßnahme gedacht. Sehen Sie, Herr Pastor, meine Kundin macht sich wirklich Sorgen um Martina. Der Ring interessiert sie nicht die Bohne. Sie gab mir die klare Anweisung, die Polizei nicht zu informieren, selbst wenn Martina den Ring genommen hätte -«
Gomez versteifte sich und sagte: »Das würde Martina niemals tun.«
»Also gut. Dann helfen Sie uns beiden bitte, Herr Pastor. Martina könnte wirklich in Schwierigkeiten stecken. Vielleicht weiß ja ihre Schwester etwas.«
Schweigend wog Gomez die Pros und Kontras ab, mir zu vertrauen oder nicht. Ich musste einen seriösen Eindruck gemacht haben, da er mich um einen Augenblick Geduld bat und dann mit Yolandas Geschäftsnummer zurückkam.
»Sie werden es nicht bereuen«, versicherte ich ihm.
»Na hoffentlich«, sagte Gomez.
Ich dankte ihm noch einmal, warf einen letzten Blick in seine schönen
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