Mord im Herbst: Roman (German Edition)
und begann zu blättern. Zunächst fand er einen Kaufvertrag vom 18. November 1968. Karl Eriksson und seine Ehefrau Emma kaufen das Haus und das dazugehörige Land von den Erben des Landwirts Gustav Valfrid Henander. Die Erben sind die Witwe Laura und ihre drei Kinder Tore, Lars und Kristina. Die Kaufsumme beträgt 55.000 Kronen. Karl Eriksson übernimmt eine Hypothek von 15.000 Kronen. Der Kauf wird über die Sparkasse Ystad abgeschlossen.
Wallander suchte einen Notizblock und einen Bleistift in seiner Jackentasche. Früher hatte er meistens vergessen, Papier und Stift einzustecken, und hatte sich damit begnügen müssen, seine Notizen auf Zetteln und den Rückseiten von Quittungen zu machen. Aber Linda hatte eine ganze Reihe Notizbücher gekauft und sie in all seine Jacken- und Manteltaschen gesteckt. Er notierte sich zwei Zahlen. Darüber schrieb er das Datum, 28. Oktober 2002. Darunter schrieb er: 18. November 1968. Diese erste Zeitspanne umfasste vierunddreißig Jahre, mehr als eine Generation. Er notierte alle Namen, die sich auf dem Kaufvertrag fanden, und legte ihn zur Seite, bevor er sich wieder den Dokumenten zuwandte. Die meisten waren uninteressant, doch er ging vorsichtig zu Werke. Sich zwischen Dokumenten zu bewegen, das konnte ebenso riskant sein, wie sich in einem dunklen Wald zu bewegen. Man konnte stolpern, fallen, sich verirren. Irgendwo klingelte Martinssons Handy. Wallander nahm an, dass es Martinssons Frau war. Sie sprachen jeden Tag mehrmals miteinander am Telefon. Wallander hatte sich oft gefragt, worüber sie sich bloß die ganze Zeit unterhielten. Er konnte sich nicht erinnern, Mona in all den Jahren ihrer Ehe auch nur ein einziges Mal angerufen zu haben – oder dass sie ihn angerufen hätte. Arbeit war Arbeit, reden konnte man vorher oder nachher. Er fragte sich, ob das vielleicht einer der Gründe für das Scheitern ihrer Ehe gewesen war. Dass er sie nie angerufen hatte – oder sie ihn.
Er blätterte weiter. Plötzlich hielt er eine alte Grundbucheintragung in der Hand. Eine beglaubigte Kopie. Sie stammte aus dem Jahr 1949 und war für Gustav Valfrid Henander angefertigt. Er hatte den Hof Legshult 2:19 von Ludvig Hansson gekauft, der als Witwer und alleiniger Besitzer des Hofes aufgeführt wurde. Die Kaufsumme hatte 29.000 Kronen betragen, und diesmal war das Geschäft über die Sparkasse Skurup abgewickelt worden.
Wallander machte eine Notiz. Eine weitere Zeitspanne hatte sich aufgetan. Vom Jahr 2002 war er jetzt dreiundfünfzig Jahre zurückgelangt in die Vergangenheit. Er grinste vor sich hin. Als Ludvig Hansson seinen Hof an Gustav Valfrid Henander verkauft hatte, war Wallander ein kleiner Junge gewesen und hatte noch in Limhamn gewohnt. An diese Zeit hatte er keinerlei eigene Erinnerungen.
Er suchte weiter. Martinsson hatte sein Telefongespräch beendet und pfiff vor sich hin. Es war ein Lied, das Barbra Streisand gesungen hatte, wenn er sich nicht irrte. Vielleicht war der Titel Woman in love . Martinsson pfiff gut. Wallander blätterte weiter. Er fand keine länger zurückreichenden Dokumente mehr. Ludvig Hansson hatte den Hof 1949 verkauft. Über die Zeit davor enthielt die Schreibtischschublade keine Informationen.
Er durchsuchte die übrigen Schubfächer, ohne etwas zu finden. Auch ein Eckschrank und ein Sekretär gaben nichts mehr preis, was von Interesse hätte sein können.
Martinsson trat ein, setzte sich auf einen Stuhl und gähnte. Wallander erzählte, was er gefunden hatte. Martinsson schüttelte den Kopf, als er ihm die Papiere hinhielt.
»Ich brauche sie nicht anzusehen. Der Name Ludvig Hansson sagt mir nichts.«
»Wir suchen beim Katasteramt weiter«, sagte Wallander. »Morgen. Aber jetzt haben wir schon mal eine Art grundlegende Geschichte, die fünf Jahrzehnte zurückreicht. Hast du etwas gefunden?«
»Nein. Ein paar Fotoalben. Aber nichts, was unmittelbar Licht auf diese Frau wirft.«
Wallander band die Mappe mit den das Haus betreffenden Dokumenten zusammen.
»Wir müssen mit den Nachbarn sprechen«, sagte er. »Auf jeden Fall mit denen, deren Höfe in der Nähe liegen. Weißt du von jemandem, der Karl Eriksson besonders nahe stand?«
»Das müssten die Leute in dem roten Hof auf der linken Seite hinter der Abbiegung sein. Da steht noch ein altes Milchkannenpodest.«
Wallander wusste, welches Haus und welches Milchkannenpodest Martinsson meinte. Er glaubte sich auch zu erinnern, dass jemand aus diesem Haus eins der Bilder seines Vaters gekauft hatte.
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