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Mord Im Kloster

Mord Im Kloster

Titel: Mord Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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seinen dringenden Brief? Sie befanden sich doch in höchster Gefahr! In diesem Frankreich bereiteten sich ja ungeheuerliche Dinge vor! Der Abt beschloss, nach dem Ostergottesdienst selbst in den Tempel nach London zu reisen. Er musste unbedingt mit diesem Fiskal Henri de Roslin sprechen!
    Seit Abt Thomas von der letzten Ölung auf dem flachen Land zurück war, plagte ihn ein Schmerz im Bein. In Hatfield war es noch kälter gewesen. Zu allem Überfluss hatte er dort auch noch übernachten müssen, weil der alte Großbauer einfach nicht sterben wollte. Am späten Morgen hatte er dann endlich seinen Geist befohlen. Selbst der Großbauer dort auf dem Land lebte ärmlich, durch die Hütten zog ein ständiger Wind. Hatte ihn jetzt die Gicht gepackt, war er dafür nicht noch viel zu jung? Seinen Vater plagte die Gicht seit vielen Jahren, konnte sich diese Geißel des Alters auch auf den Sohn übertragen? Er nahm sich vor, mit dem Vater darüber zu sprechen.
    Abt Thomas versuchte, seine Beschäftigung mit sich selbst abzuschütteln. Es ging nicht um seine Unpässlichkeiten. In diesen Tagen ging es um das Leiden Jesu Christi.
    Aber der Abt fühlte sich müde. Etwas steckte in ihm. Am Palmsonntag, vor seiner Abreise nach Hatfield, hatte er noch in sich den Jubel verspürt. Er hatte das »Hosianna« kraftvoll gesungen. Beim Zug durch den Ort St. Albans hatte er es gehört und zurückgegeben: »Hosianna dem Sohn David! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe!« Nach der Prozession, die an den Einzug Jesu in Jerusalem gemahnte, hatte er zum ersten Mal gemerkt, wie kraftlos er geworden war. Und auch, dass in St. Albans etwas nicht stimmte.
    Auf dem Gelände tauchten plötzlich Menschen auf, die hier nichts zu suchen hatten. Sie prüften alles und notierten sich etwas auf Pergament. Daran war dieser französische Edelmann schuld, der darauf bestand, sich mit Stapelherr anreden zu lassen. Als wäre das ein Titel, den man mit sich herumschleppen könnte! Dieser Edelmann war eigentlich ein widerlicher Geschäftsmann, der mit Penetranz versuchte, die Pacht zu erlangen. Er und die Kreatur an seiner Seite, dessen jungenhafte Freundlichkeit die einer Schlange war, sprachen außerdem nur Normannisch. Abt Thomas hasste diese Sprache der Herrschaft, er spürte, dass er dem Drängen dieser Menschen nicht nachgeben durfte, solche weltlichen, sündhaften Geschäftsleute, denen es nur um Macht ging, waren unersättlich. Sollten sie in ihrer Heimat tun, was sie wollten. Dieses Kloster hier musste unbedingt in der Hand der Geistlichkeit bleiben, sonst brachte die herannahende neue Zeit nur Unheil!
    Der Abt ließ sich aus seiner Wohnung heraus, unter dem lang gestreckten Schlafsaal der Brüder hindurch, in die Klosterkirche geleiten. Auch hier, auf dem langen Gang, der ihm wie ein Tunnel ins Dunkle vorkam, war es kalt. Der Abt schüttelte sich. Der Einzug in die dunkle Kirche bereitete ihm Anstrengung. Er verspürte Angst. Er spürte die Bedrängungen, die aus seinem Herzen kamen. Aber auch durch ganz wirkliche Gestalten. Sie lauerten seit einiger Zeit überall. Ein Spuk, den er loswerden musste!
    Henri de Roslin sollte ihm dabei helfen. Sein Vater kannte den aufstrebenden Templer, der eine große Zeit vor sich hatte, und empfahl ihn warm.
    Warum kam Henri nicht?
    In seine Gedanken hinein sprach der vor ihm gehende Prior: »Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein sind die Zeit und die Ewigkeit. Sein sind die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Durch seine heiligen Wunden, die leuchten in Herrlichkeit, behüte uns und bewahre uns Christus, der Herr. Amen.«
    »Amen«, murmelte Abt Thomas.
    Sie erreichten den Kirchenraum. Der Diakon hatte dreimal Halt gemacht und Christus, das Licht, angerufen. Die Brüder hatten mit Deo gratias geantwortet. Der Diakon nahm vom Prior die Osterkerze entgegen und stellte sie auf den Leuchter in der Mitte des Altarraumes.
    Abt Thomas atmete auf, als endlich die vielen anderen Lichter der Kirche leuchteten. Dies ist die Nacht, dachte er, in der die leuchtende Säule das Dunkel der Sünde vertreibt. Das ist auch im übertragenen Sinne die Wahrheit, dachte er. Unwillkürlich ging er schneller und stieg die Treppe zur Sakristei empor. Auch jetzt holten ihn seine Überlegungen wieder ein.
    Er hatte in der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag den Gang Jesu nach Gethsemane nachvollzogen und sein nächtliches Gebet dort mit lauter Stimme vorgetragen. Er hatte

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