Mord Im Kloster
lang!«
Sean schrie auf: »Henri! Da bist du endlich! Ich habe schon…«
Henri machte seine Ankündigung wahr. Er packte Seans Ohren und drehte sie. Der Junge wurde immer größer und bekam einen knallroten Kopf. Aber er jammerte nicht.
Als Henri ihn losließ, sagte Sean: »Ich habe das verdient. Ich weiß, Ungehorsam ist unverzeihlich. Du kannst mit mir tun, was du willst, Meister Henri. Töte mich, wenn du willst.«
»Unsinn!«, sagte Henri, schon wieder ganz ruhig. »Ich werde mir noch überlegen müssen, wie ich dich bestrafe. Aber du wirst es auf jeden Fall überleben.«
»Es ist meine Schuld, Sire!«, sagte Guinivevre. »Verzeihen Sie dem armen Sean! Und verzeihen Sie mir! Ich hätte Sean niemals in diese Lage bringen dürfen.«
Sean sprang auf Uthman und Joshua zu und umarmte beide. Auch Henris Gefährten blickten zunächst streng, lächelten dann aber. Joshua verzieh Sean ohnehin leichter als Henri, weil der Junge ihn an seinen verlorenen Sohn erinnerte. Uthman boxte Sean in die Seite, der Junge schrie im gespielten Schmerz auf und krümmte sich. Uthman trat ihm in den Hintern.
Henri blickte das hübsche Mädchen an, dessen blonde Haare wie eine Krone auf ihrem Kopf saßen und ihr blasses Gesicht wie das einer Prinzessin adelte. Henri wusste aber, das Guinivevre ein starkes, einfallsreiches Mädchen war, und das nicht nur, weil sie Sean zwei Jahre zuvor erfolgreich umgarnt und in die Liebe eingeführt hatte. Sie war auch schon an ihrer Seite geritten – in Männerkleidung. Henri empfand ein starkes väterliches Gefühl für die Tochter des Earl of Annan.
»Du hast uns Unannehmlichkeiten bereitet, Mädchen, aber wir müssen dir nichts verzeihen. Nur wie es nun weitergeht, müssen wir besprechen. Denn Sean kommt mit uns.«
Der Knappe schaute wie ein geprügelter Hund. Henri forderte ihn auf, zu erzählen, wie es gegangen war, seit sie ihn im südfranzösischen Uzès bei Ritter Fabian zurückgelassen hatten. Sean war froh, sein schlechtes Gewissen vergessen zu können, und erzählte angeregt. Die Reise nach Damme hatte er in einem Kaufmannstreck gemacht, der vor Tagen weiter nach England übergesetzt war. Sean schaute immer wieder zu seiner Guinivevre hinüber, als hätte er Sorge, dass sie gerade verschwinden wollte. Henri begriff einmal mehr, wie sehr der Knappe verliebt war. Er musste eine Lösung finden, wie es mit ihm weiterging. Er war Seans Erzieher.
Guinivevre stand auf. »Ich werde am Strand spazieren gehen. Meine Brust ist ein wenig angegriffen, die Luft hier tut mir gut. Besprecht mit Sean, was zu besprechen ist. Wir sehen uns dann später wieder.«
Sie ging. Sean starrte ihr nach. Henri drehte ihn an den Schultern herum und sah ihm ins Gesicht. »Sean! Verliebtsein taugt nicht zur Ausbildung eines Mannes! Du bist sechzehn Jahre alt. Lass dir Zeit damit. Du musst noch viele Dinge lernen!«
Trotzig erwiderte Sean: »Du selbst hast mir einmal erzählt, wie wichtig die Liebe gerade dann ist, wenn man ganz jung ist! Hast du nicht Falkie of Inverness geliebt?
Und hättest du sie nicht geheiratet, wenn sie nicht gestorben wäre? Und wärst du dann etwa Tempelritter geworden?«
Jetzt war es Uthman, der Sean packte. »Nicht so vorlaut, mein Sean. Du spielst mit den Gefühlen deines Erziehers. Du hast kein Recht, ihn an diese leidvollen Dinge zu erinnern, nur um deinen Hals zu retten. Von Krankheit und Tod verstehst du noch lange nichts, Hosenscheißer!«
»Lass ihn!«, sagte Joshua. »Auch wenn ich sagen muss, dass du im Moment besser tätest, nicht so viel zu reden, Sean.«
»Trotzdem ist Liebe das Kostbarste im Leben«, sagte Sean kleinlaut.
»Ich widerspreche dir nicht«, erwiderte Henri. »Aber Liebe ist einfach da, und wir Menschen werden mit dieser göttlichen Gnade beschenkt. Was du aber tun musst, ist zu lernen. Beispielsweise Gehorsam. Das ist eine Tugend, ohne die auch alles andere nicht gehen kann. Gehorsam und Respekt – magst du das in deinem jungen, verwirrten Kopf auch nicht recht einsehen.«
»Wie soll ich Guinivevre lieben, wenn wir nicht zusammen sind? Ich weiß, ich werde nie mehr ein anderes Mädchen lieben. Muss ich nicht danach trachten, dass wir Mann und Frau werden?«
Henri sagte: »Du wirst noch viele Mädchen kennen lernen, Sean. Und dich verlieben. Irgendwann kommt die Richtige. Dann ist es immer noch Zeit, zu heiraten.«
»Ich will aber nur Guinivevre und keine andere!«
In Henri stieg Ärger über diesen verstockten Knappen empor, doch er zügelte ihn. Er
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