Mord Im Kloster
überrascht zu werden, zog Neville seinen Dolch. Er wusste, Robin würde sofort handeln. Wieder schmerzte seine Kehle, und er griff sich an den Hals. Vom Gang gingen sechs Türen ab.
Als er an der ersten Zimmertür vorbeiging, hörte er am Ende des Ganges ein Geräusch. Jemand lachte. Eine Frauenstimme sagte etwas. War das Jenny? Neville versuchte, es herauszufinden, aber die Stimme verstummte. Eine Maus huschte über den Dielenboden. Als Neville weitergehen wollte, wurde hinter ihm die Tür aufgerissen. Robin Gilmour-Bryson trat heraus. Er trug eine Reisetasche, die er über die Schulter warf.
Neville handelte sofort.
Er sprang auf Robin zu und schlug ihm ins Gesicht. Überrascht ließ der Angegriffene seine Tasche fallen. Er taumelte gegen die Türfassung. Neville machte einen weiteren Satz nach vorn und schlug dem anderen die Faust gegen die Nase. Robin heulte auf. Er griff sich ins Gesicht, dann zuckte seine rechte Hand zu seinem Gürtel. Er nestelte an seiner Kleidung. Neville hatte ausgeholt und schlug ihm erneut mitten ins Gesicht. Dann schlug er ihm die Handkante gegen die rechte Schläfe.
Robin keuchte. Aus seinem Mund lief ein feiner Speichelfaden. Bisher war kein Wort gefallen, jetzt stieß Robin einen dumpfen Fluch aus, dann ein Wimmern, aber voller Hass. Er zerrte noch immer an seinem Gürtel herum. Neville hieb ihm die Faust in den Magen, und als Robin sich vornüber krümmte, jagte Neville ihm einen Aufwärtshaken unter das Kinn. Robins Augen wurden glasig. Seine Beine wackelten. Dann brach er zusammen.
Neville zog ihn am Kragen in das Zimmer hinein. Er sah sich um. Außer Bettstatt mit Strohsack, einem Regal mit Waschschüssel und Kanne und einem viereckigen Tisch mit Stuhl befand sich im Raum nichts. Schon gar keine Jenny Sandys.
Neville schloss die Eingangstür. Er trat zur Waschkanne, schwenkte sie, merkte, dass sie halb voll war, und kippte Robin das Wasser ins Gesicht. Robin fuhr sofort auf, schüttelte sich und rief: »Was!«
Neville trat ihm mit der Schuhspitze in die Seite. »Wo ist Jenny?«
Robin verstand allmählich. Sein jungenhaftes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Er versuchte zu grinsen, hatte aber offensichtlich Schmerzen.
»Welche Jenny? Siehst du hier jemand?«
Neville beugte sich über ihn und steckte ihm den Dolch in ein Nasenloch. »Wo ist Jenny?«
»Lass das! Du siehst doch, dass ich allein bin. Ich wollte gerade nach London zurück.«
»Wenn du mir nicht sofort verrätst, wo du Jenny Sandys hingeschleppt hast, schneide ich dir die Nase ab.«
Robin kicherte.
»Du glaubst mir nicht?«
»Hör doch! Ich bin allein! Ich…«
»Wo ist sie?«
»Ach, geh doch zum Teufel!«
Neville zog den Dolch mit einem kräftigen Ruck nach oben, als wollte er einen Faden durchschneiden. Robins Nasenloch wurde aufgeschlitzt. Sofort lief Blut über seinen Mund. Er schrie vor Schmerzen.
»Sag mir jetzt, wo Jenny ist, oder bei Gott, du wirst nicht mehr so aussehen wie früher!«
In Robins Blick war plötzlich ein ängstliches Glitzern getreten. Er verstand, dass mit Neville nicht zu spaßen war.
Er wimmerte eine Weile. Dann sagte er: »Jenny Sandys? Nun – ich kann dich zu ihr führen.«
Neville bemerkte, dass Robin Zeit gewinnen wollte, sicher dachte er sich einen Trick aus. Robin wischte sich unaufhörlich das Blut weg, das aber ungehindert in einem schmalen Rinnsal aus seiner Nase lief. Neville warf ihm einen Lappen zu.
»Was ist in deiner Tasche?«
»Sieh doch selbst nach.«
Neville öffnete sie. Er sah Kleidungsstücke, einzelne Silberpennys und Schillings, einen Totschläger aus gehärtetem Leder und eine feine Seidenschlinge.
»Die Tasche bleibt hier. Führe mich zu Jenny. Ist sie in diesem Gasthof untergebracht?«
Robin schüttelte den Kopf. »Wäre ich dann allein im Zimmer?«
Neville sagte: »Wenn du zu fliehen versuchst oder sonst irgendwas im Schilde führst, dann bringe ich dich um.«
»Du bringst mich nicht um, mein Alter. Wer zeigt dir dann die hübsche Jenny? Besser gesagt das, was einmal an ihr hübsch war?«
Neville beherrschte sich, um Robin nicht erneut zu schlagen. Er machte eine aufmunternde Geste. Robin erhob sich mühevoll, versuchte weiterhin, das fließende Blut zu stillen, und fluchte leise vor sich hin. Neville ließ sich nicht täuschen. Er wusste, dass Robin krampfhaft darüber nachgrübelte, wie er ihn überlisten konnte.
Neville stieß Robin grob in den Flur. Gleich auf der Treppe versuchte Robin das Blatt zu wenden. Er griff plötzlich
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