Mord Im Kloster
hinter sich, riss Neville am Rock heran und stieß ihn die Treppe hinunter.
Neville war bei aller Vorsicht zu überrascht, um schnell genug zu reagieren. Er stolperte und stürzte die Stufen hinunter. Als er auf dem Treppenabsatz landete, sprang Robin auf ihn. Er trampelte mit seinen Lederstiefeln auf seinem Kopf herum, trat fest zu, trat gegen seinen Hals.
Und lachte mit einer Stimme, die einer Frau zu gehören schien.
Neville kämpfte um das Bewusstsein. Nein, dachte er, du darfst nicht noch einmal gewinnen. Nicht noch einmal!
Er drehte sich zur Seite, sah, wie Robin erneut mit dem Stiefel ausholte. Der nächste Tritt gegen seinen Kopf würde ihn gänzlich kampfunfähig machen. Und dann würde Robin Gilmour-Bryson ihn töten.
Neville griff nach seinem Dolch. Robin bemerkte es, wollte ihm zuvorkommen und umklammerte mit beiden Händen Nevilles Hand. Da hatte Neville den Griff der Waffe umfasst. Er zog sie heraus und stach zu.
Die Schneide fuhr in Robins Bauch. Neville zog sie wieder heraus und stach noch einmal zu. Robin stand einen Moment lang unbeweglich und starrte ausdruckslos vor sich hin. Dann sackte er in die Knie. Er kniete auf Neville.
Angewidert stieß Neville ihn von sich. Er sah, wie Robin versuchte, mit beiden Händen das hervorquellende Blut und die Eingeweide im Leib zu halten. Seine Hände verkrampften sich. Er gab einen gurgelnden Laut von sich. Dann schrie er laut auf. Er schrie und schrie.
Als er endlich still war, zusammenbrach und mit starr geöffneten Augen am Boden liegen blieb, rappelte sich Neville auf.
Er stützte sich um Atem ringend auf seine Hände. Er ließ den Kopf hängen.
Du sollst nicht töten, dachte er.
Was für ein Elend, dachte er.
Er sah zu Robin hinüber. Dessen Gesicht war noch immer jungenhaft und friedlich. Die Maske eines Engels, der sich verstellte.
Ich habe dich einmal geliebt, Bruder, dachte er.
Der Sheriff von Hertford war ein kleiner, stämmiger Mann mit kräftigen Armen und einer dröhnenden, tiefen Stimme. Offenbar hörte er schwer. Als Henri ihm den Beutel mit Schillingen schenkte und erklärte warum, umarmte der Ordnungshüter ihn.
Henri würde dem Tempel Rechenschaft über die Spende geben müssen und trug sie in Gedanken schon auf die Sollseite der Rechnungsbücher ein, aber es geschah ja für einen vernünftigen Zweck.
»Wenn das römische Kastell wieder aufgebaut ist«, sagte der Sheriff begeistert, »werden Leute von nah und fern nach Hertford kommen. Sie werden essen und trinken und übernachten. Hertford wird aufblühen. Und das haben wir dann Euch zu verdanken, Tempelritter!«
»Ich hoffe«, sagte Henri, »das große Geheimnis, auf das meine Tempelbrüder angeblich gestoßen sind, ist nicht abschreckend, sondern zieht noch mehr Besucher an.«
»Ja, es ist sehr seltsam«, sagte der Sheriff eifrig. »Sie haben ein unterirdisches Labyrinth entdeckt. Es soll auf der einen Seite bis zur Prälatur des Klosters gehen und auf der anderen Seite bis zur Burg von Hertfordshire. Es soll aussehen wie im Eingangsbereich der neuen großen Kathedralen. Sehr merkwürdig.«
»Ihr meint die Geheimzeichen des Labyrinths, die von den Baumeistern als Buchstabenrätsel in die Fußböden eingelegt werden, wenn die Kirche gebaut worden ist?«
»Ich kenne mich in diesen Dingen nicht aus. Man spricht davon, das unterirdische Labyrinth von Hertford besitze eine geheime Symbolik. Ich wage es kaum auszusprechen, eine – Heilssymbolik.«
»Ich werde es mir ansehen. Woher kommen die Templer?«
»Man sagt, aus ganz England. Vor allem aber aus Schottland. Sogar der schottische Aufrührer William Wallace soll unter ihnen sein.«
»William? Ich kenne ihn! Ein hitziger Mann. Er hat vor drei Jahren mit dem Mandat der Earls und Magnaten von Schottland das englische Aufgebot bei Stirling Bridge vernichtend geschlagen. Mutig von ihm, in England öffentlich aufzutreten.«
»Sie sind wie auf ein geheimes Geheiß angereist. Vorher hatte niemand in Hertford eine Ahnung von unterirdischen Gängen, geheimen Räumen und Kammern. Die Templer werden geradezu angezogen von solchen Geheimnissen. Unsere ganze Stadt soll unterhöhlt sein, und wenn man das Zentrum findet, lösen sich alle Rätsel. Ja, selbst die ausgedehnten Wälder, die Hertford umgeben und der Krone gehören, stehen angeblich auf einem Labyrinth, dessen Zweck niemand begreift. Eigentlich keine angenehme Vorstellung, findet Ihr nicht?«
Henri stimmte zu. Dann dachte er über William nach. Er hörte seine
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