Mord im Labor
dem
Badetuch, und ich gebe sofort meine Dienstmarke ab«, versprach ich.
»Brr!« Sie zog eine Grimasse.
»Wenn ich etwas hasse, dann einen lüsternen Bullen im Dienst.« Sie hielt das
Badetuch mit einer Hand fest, während sie mit der anderen auf eine Tür wies.
»Dort ist Jans Zimmer — bedienen Sie sich. Wenn Sie fertig sind, können Sie in
die Küche gehen und uns einen Drink machen. Für mich Rye auf Eis. Ist das Restaurant, in das wir gehen, hübsch und ruhig?«
»Und teuer«, sagte ich.
»Vergessen Sie nicht, einen Haufen Geld mitzunehmen.«
Sie gab einen spöttischen, tief
aus der Kehle dringenden Laut von sich und glitt, einer duftigen, blaßblauen Wolke gleich, anmutig davon und verschwand
hinter der Schlafzimmertür, die sie fest hinter sich schloß. Ich trat in Mrs. O’Haras Zimmer und knipste das Licht an. Es nahm
bestenfalls fünf Minuten in Anspruch, um überhaupt nichts zu finden. Da hingen
Kleider im Schrank, und in den Kommodenschubladen lagen Unterwäsche,
Taschentücher und dergleichen. Es gab einen Schmuckkasten, dessen Inhalt meinem
ungeschulten Auge als wertloser Kram erschien, und das war so ziemlich alles.
Kein Tagebuch, keine alten, mit rosa Bändchen umwickelten Briefe, nichts, gar
nichts. Das bekümmerte mich ein bißchen. Ich knipste das Licht aus, schloß die
Tür hinter mir, suchte und fand die Küche und machte die Drinks zurecht. Dann
kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, ließ mich auf der Couch nieder, nippte an meinem
Glas und sah zu, wie in dem Judy Trents langsam die Eiswürfel schmolzen. Sehr
viel später, als sie bereits zerronnen waren, kehrte sie ins Zimmer zurück. Sie
trug ein langes, ärmelloses Kleid von dunklem Orangerot, das von zwei schmalen
Trägern gehalten wurde, und einem weiten und tiefen Ausschnitt, der sogar noch
mehr Einbuchtung freigab als zuvor der Badetuch- Sarong .
Das Kleid hatte einen langen Schlitz in der Mitte, so daß bei jedem Schritt die
prächtigen Beine bis zu den Oberschenkeln entblößt wurden.
»Sie wollen doch wohl nicht
behaupten, daß dieser müde alte Drink, der da mutterseelenallein auf dem Tisch
steht, für mich gedacht ist?« fragte sie kalt.
»Er ist über dem Warten auf Sie
alt geworden«, sagte ich. »Aber wenn Sie vorhaben sollten, ihn aufzufrischen,
könnten Sie mir vielleicht ebenfalls noch einen machen?« Ich streckte ihr
erwartungsvoll mein leeres Glas hin. »Hören Sie, Sie billiger Mistkerl«, sagte
sie mit kehliger Stimme, »ist das mein Urlaub oder
Ihrer?«
»Okay.« Ich stand auf. »Ich
werde die Drinks holen und Ihnen Gelegenheit geben, sich vollends fertig
anzuziehen.«
»Fertig...« Ihr Gesicht nahm
eine mattrote Färbung an. »Was, zum Teufel, glauben Sie eigentlich, trage ich
jetzt — ein Nachthemd?«
»Ach, ist das keines?« fragte
ich unschuldig und trat einen schnellen Rückzug zur Küche an, bevor sie
irgendwas nach mir werfen konnte.
Als ich mit den frischen Drinks
zurückkehrte, saß sie auf der Couch und trommelte mit den Fingern ihrer rechten
Hand leicht auf das Polster.
»Wollen wir von vorne anfangen?«
fragte sie, während sie ihr Glas entgegennahm. »Ich bin Judy Trent und Sie sind
—?«
»Al Wheeler«, sagte ich.
»Prost, Judy.«
»Prost, Al«, zischte sie. »Und
wagen Sie ja nicht, mich noch einmal derartig auf den Arm zu nehmen wie
vorhin.«
»Es war nur ein
unwiderstehlicher Impuls, dem ich das nächstemal mit
mehr Festigkeit widerstehen werde«, sagte ich und ließ mich neben ihr nieder.
»Okay.« Sie schien besänftigt.
»Haben Sie in Jans Zimmer was Aufregendes entdeckt?«
»Nur, daß ein Bild zu fehlen
scheint.«
»Ein Bild? Was für ein Bild?«
»Das von dem geliebten Ehemann,
der vor zwei Jahren auf so tragische Weise ums Leben kam«, sagte ich.
»Jan hatte kein Bild von ihm.
Oder wenn sie eines hatte, so habe ich es jedenfalls nie gesehen.« Sie warf mir
einen zutiefst mißtrauischen Blick zu. »Wollen Sie
mich schon wieder auf den Arm nehmen?«
»Es kommt mir nur merkwürdig
vor«, sagte ich. »Die Ehe half ihr, mit ihren Problemen fertig zu werden, dann
machte der plötzliche Tod ihres Mannes wieder alles zunichte. Sie wurde wieder
von ihren nymphomanischen Neigungen überwältigt. Ich hätte angenommen, daß sie
irgendein Andenken an den teuren Verblichenen aufbewahrt hätte. Vielleicht ein
Foto — oder eine gepreßte Rose zwischen den Seiten ihres
Lieblingsgedichtbands. Irgendwas.«
»Nun, da Sie es erwähnen — es
ist wirklich seltsam«, sagte sie nachdenklich. »Jan hat
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