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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Giger
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gesittet um und genossen dann die zu Recht gerühmte Hotelküche. Während des ganzen Abendessens plauderten wir angeregt, umschifften jedoch alle heiklen Themen weiträumig.
    Auf dem Weg zurück ins Zimmer versprach mir Claudia zwei Überraschungen. Auf die zweite musste ich noch etwas warten, denn die erste entpuppte sich als handliches Abspielgerät für Musik von ihrem iPhone. Und was spielte sie? Genau, die von mir so heiss geliebte Pastorale von Beethoven. Und dann, Du wirst es nicht glauben, spielte sich alles fast wie im Drehbuch ab:
    Erster Satz: ‹Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande› (Allegro ma non troppo), 12’55’’. Verliebte Blicke in strahlende Augen. Geflüsterte Koseworte. Geständnisse über erwachte und weiter erwachende Gefühle. Bedeutungsschwangere Worte wie Seelenverwandtschaft und schicksalhafte Begegnung nach unendlich langem Warten. Entblössung der Seelen.
    Zweiter Satz: ‹Szene am Bach› (Andante molto mosso), 12’43’’. Zärtliche Berührungen. Erst noch fast scheue, dann immer fordernder werdende Küsse. Allmählich sich lüftende Kleiderschichten. Immer mehr Stellen, an denen Haut an Haut rührt. Erstes leidenschaftliches Umschlingen ganz ohne störende Textilien. Entblössung der Körper.
    Dritter Satz: ‹Lustiges Zusammensein der Landleute› (Allegro), 5’45’’. Erkundungstouren von Fingern, Handflächen, Lippen und Zungen auf fremder Haut. Lauter werdende Seufzer. Ansteigende Spannung, unterbrochen nur von kurzen Phasen inniger Ruhe. Vereinigung.
    Vierter Satz: ‹Gewitter, Sturm› (Allegro), 3’38’’. Aufwallende Gefühlswogen. Anschwellende Geräuschkulisse. Heftige Zuckungen. Eruptive Entladungen. Höhepunkte.
    Fünfter Satz: ‹Hirtengesang. Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm› (Allegretto), 9’02’’. Fast übergangsloser Wechsel in eine innig-sanfte Stimmung. Enges Aneinanderkuscheln. Stupsende Küsschen. Zarte Berührungen. Dankbare Worte. Abgesang.
    Kaum war der letzte Ton verklungen, fragte mich Claudia verschmitzt, ob ich noch mal wolle. Leicht beschämt antwortete ich, das würde in meinem Alter vielleicht noch etwas dauern, doch sie lachte nur und sagte, sie habe natürlich die Musik gemeint. Ich hatte nichts dagegen, und so klangen die vertrauten Klänge erneut auf.
    Jetzt präsentierte mir Claudia ihre zweite Überraschung. Diese entpuppte sich als eine Halbliterflasche mit Appenzeller Alpenbitter, die sie aus den Tiefen ihrer Tasche ans Licht beförderte. Auf meinen enttäuschten Blick hin versicherte sie mir, es handle sich dabei möglicherweise nicht um das gewohnte Getränk. Es könne vielmehr sein, dass dieser spezielle Alpenbitter etwas mit meinem geheimnisvollen Käse zu tun habe, und das wolle sie mit einem praktischen Experiment herausfinden. Wir würden deshalb jetzt beide ein Gläschen davon trinken, und ich solle ihr dann sagen, ob eine allfällige Wirkung vergleichbar sei mit jener von Appenzeller Secret.
    Sie sei dieses Experiment ihrem Job schuldig, fügte sie hinzu, aber mindestens so sehr sei sie von ganz privater Neugier getrieben. Ich stand noch viel zu sehr unter dem überwältigenden Eindruck des eben erlebten Höhepunkts, der in seiner Wirkung sicher noch durch den Umstand verstärkt worden war, dass es seit ziemlich langer Zeit mein erstes Erlebnis mit einer Frau war, als dass ich mich hätte um Claudias Motivlage kümmern können, und ebenso wenig fragte ich mich oder sie, wie sie denn an diese Flasche gekommen sei. Stattdessen schluckte ich brav den Inhalt des Glases, das sie mir reichte, und registrierte noch, dass sie ebenfalls eine Portion kippte. Dann legten wir uns wieder, hüllenlos, wie wir waren, aufs Bett und lauschten Beethoven.
    Gegen Ende des zweiten Satzes spürte ich etwas. Klar, bei einer alkoholischen Flüssigkeit dauert es wesentlich weniger lang als bei einem festen Nahrungsmittel wie Käse, bis eine Wirkung eintritt. Ich lauschte eine Weile in mich hinein und berichtete Claudia, es handle sich wirklich um eine vergleichbare Wirkung. Etwas weniger subtil vielleicht, stürmischer und vielleicht auch drängender, aber unverkennbar: Seelenfrieden.
    Sie gestand mir daraufhin, sie hätte sich natürlich nie auf das Experiment mit mir eingelassen, ohne vorher einen Selbstversuch gemacht zu haben. Das hätte sie sogar zweimal gemacht, einmal allein zu Hause und ein zweites Mal mit einem guten Freund – spürte ich da den Stich eines Eifersuchts-Stachels? –, doch

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