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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Monsieur Bouc.
    «Vollkommen richtig», bestätigte Poirot. «Ich habe es selbst gehört. Und das ist das Letzte, was man weiß?»
    «Ja.»
    Poirot wandte sich dem Arzt zu, der fortfuhr: «Das Fenster von Mr. Ratchetts Abteil wurde weit offen vorgefunden, was den Schluss zulassen könnte, dass der Täter auf diesem Wege entkommen ist. Aber meines Erachtens ist das offene Fenster eine Irreführung. Wenn jemand auf diesem Wege den Zug verlassen hätte, wären deutliche Spuren im Schnee zu sehen gewesen. Es waren aber keine da.»
    «Das Verbrechen wurde – wann entdeckt?», fragte Poirot.
    «Michel!»
    Der Schlafwagenschaffner richtete sich auf. Er war noch immer ganz blass und wirkte verängstigt.
    «Berichten Sie diesem Herrn genau, was sich zugetragen hat», befahl Monsieur Bouc.
    Der Schaffner redete stoßweise.
    «Der Diener dieses Monsieur Ratchett – er hat heute Vormittag – ein paar Mal an seine Tür geklopft. Da kam keine Antwort. Dann kam vor einer halben Stunde der Speisewagenkellner – um zu fragen, ob Monsieur noch frühstücken möchte. Es war schon elf Uhr – verstehen Sie?
    Ich habe mit meinem Hauptschlüssel seine Abteiltür aufgeschlossen. Aber da war auch die Kette vorgelegt. Keine Antwort, alles still da drinnen – und kalt, so kalt. Das offene Fenster, und der Schnee weht herein. Ich denke, Monsieur hat vielleicht einen Anfall. Ich hole den chef de train. Wir zerschneiden die Kette und gehen hinein. Er – ah, c ’ était terrible!»
    Wieder grub er das Gesicht in die Hände.
    «Die Tür war also abgeschlossen und die Kette von innen vorgelegt», sagte Poirot bedächtig. «Es war kein Selbstmord – nein?»
    Der griechische Arzt lachte höhnisch.
    «Würde einer, der Selbstmord begeht, sich mit zehn, zwölf – fünfzehn Messerstichen an verschiedenen Stellen umbringen?»
    Poirot riss die Augen auf.
    «Wie barbarisch!», sagte er.
    «Es war eine Frau», ließ sich jetzt der Zugführer zum ersten Mal vernehmen. «Verlassen Sie sich darauf, es war eine Frau. So sticht nur eine Frau zu.»
    Dr. Constantine zog das Gesicht in nachdenkliche Falten.
    «Das müsste aber eine sehr kräftige Frau gewesen sein», sagte er. «Ich möchte hier nicht ins Einzelne gehen – das würde nur verwirren –, aber ich versichere Ihnen, einige Stiche wurden mit solcher Kraft geführt, dass sie durch einen harten Panzer aus Knochen und Muskelgewebe gedrungen sind.»
    «Es war demnach kein fachmännisch ausgeführter Mord», meinte Poirot.
    «Höchst unfachmännisch», sagte Dr. Constantine. «Wie es aussieht, hat man völlig wahl- und planlos auf ihn eingestochen. Einige Stiche sind abgeglitten und haben kaum Schaden angerichtet. Es scheint, als hätte jemand die Augen geschlossen und in blinder Wut immer wieder zugestochen.»
    «C ’ est une femme», wiederholte der Zugführer. «Frauen tun so etwas. Wenn sie wütend sind, haben sie Riesenkräfte.» Er nickte so wissend, dass alle eine persönliche Erfahrung hinter seinen Worten vermuteten.
    «Ich habe vielleicht etwas zu Ihrem bisherigen Wissen beizusteuern», sagte Poirot. «Monsieur Ratchett hat mich gestern angesprochen. Soweit ich ihn verstanden habe, wollte er mir sagen, dass sein Leben in Gefahr sei.»
    «Also ‹kaltgemacht›, wie die Amerikaner sagen», meinte Monsieur Bouc. «Demnach war es doch keine Frau, sondern ein Gangster, ein ‹Killer›.»
    Der Zugführer machte ein richtig unglückliches Gesicht, als er seine schöne Theorie in sich zusammenfallen sah.
    «In diesem Fall», sagte Poirot, «hätte er aber offenbar sehr dilettantisch gearbeitet.»
    Aus seinem Ton sprach professionelle Missbilligung.
    «Wir haben so einen vierschrötigen Amerikaner im Zug», verfolgte Monsieur Bouc seine Theorie weiter. «Der Mann sieht sehr gewöhnlich aus und ist schrecklich angezogen. Und er kaut immer so ein Gummizeug, was man meines Wissens in gehobenen Kreisen nicht tut. Sie wissen, wen ich meine?»
    Die Frage war an den Schlafwagenschaffner gerichtet, der nickte.
    «Oui, Monsieur, in Nummer sechzehn. Aber er kann es nicht gewesen sein. Ich hätte ihn ins Abteil gehen oder wieder herauskommen sehen.»
    «Nicht unbedingt, nicht unbedingt. Aber darauf kommen wir später. Die Frage ist jetzt, was sollen wir tun?» Er sah Poirot an.
    Poirot sah Monsieur Bouc an.
    «Ich bitte Sie, mein Freund», sagte Monsieur Bouc, «Sie wissen schon, was ich von Ihnen will. Ich kenne Ihre Gaben. Nehmen Sie die Ermittlungen in die Hand. Nein, nein, lehnen Sie nicht ab. Sehen

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