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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ich nicht, Monsieur. Der Zug stand, und dadurch bin ich nicht eingenickt wie sonst immer.»
    «Haben Sie einen der Fahrgäste auf dem Gang gesehen?»
    Der Schaffner überlegte.
    «Ich glaube, eine der Damen ist auf die Toilette am anderen Ende gegangen.»
    «Welche?»
    «Das weiß ich nicht, Monsieur. Es war am anderen Ende, und sie kehrte mir den Rücken zu. Sie hatte einen roten Kimono an, mit Drachen darauf.»
    Poirot nickte.
    «Und danach?»
    «Nichts mehr, Monsieur, bis zum Morgen.»
    «Ganz gewiss?»
    «Oh, pardon – Sie selbst, Monsieur, haben noch einmal die Tür geöffnet und kurz herausgeschaut.»
    «Gut, mein Lieber», sagte Poirot. «Ich wollte nur wissen, ob Sie sich daran erinnern. Übrigens war ich von etwas aufgewacht, was sich anhörte, als ob etwas Schweres gegen meine Tür gefallen wäre. Haben Sie eine Ahnung, was das gewesen sein kann?»
    Der Mann sah ihn mit großen Augen an.
    «Da war nichts, Monsieur. Gar nichts, ich bin ganz sicher.»
    «Dann muss ich schlecht geträumt haben», meinte Poirot gelassen.
    «Oder was Sie gehört haben», mischte Monsieur Bouc sich ein, «war im Abteil nebenan.»
    Poirot beachtete den Einwand nicht. Vielleicht wollte er vor dem Schlafwagenschaffner nicht darüber sprechen.
    «Wenden wir uns nun einer anderen Frage zu», sagte er. «Angenommen, gestern Abend ist ein Mörder zugestiegen. Es steht doch fest, dass er nach Begehung der Tat nicht wieder ausgestiegen sein kann?»
    Pierre Michel schüttelte den Kopf.
    «Und dass er sich nirgendwo versteckt halten kann?»
    «Der Zug wurde eingehend durchsucht», sagte Monsieur Bouc. «Schlagen Sie sich diesen Gedanken aus dem Kopf, mein Freund.»
    «Außerdem», sagte Michel, «hätte niemand in den Schlafwagen kommen können, ohne dass ich ihn gesehen hätte.»
    «Wo haben wir zuletzt gehalten?»
    «In Vincovci.»
    «Wann war das?»
    «Planmäßig hätten wir dort um 23.58 Uhr abfahren sollen. Aber wegen des schlechten Wetters hatten wir zwanzig Minuten Verspätung.»
    «Hätte jemand aus den normalen Reisewagen nach vorn kommen können?»
    «Nein, Monsieur. Nach dem Abendessen wird die Tür zwischen den Reisewagen und den Schlafwagen abgeschlossen.»
    «Sind Sie selbst in Vincovci einmal ausgestiegen?»
    «Ja, Monsieur. Ich bin wie immer auf den Bahnsteig hinuntergestiegen und am Einstieg stehen geblieben. Die anderen Schaffner genauso.»
    «Und die vordere Tür? Die vor dem Durchgang zum Speisewagen?»
    «Die ist immer an der Innenseite eingehakt.»
    «Jetzt aber nicht.»
    Der Schaffner machte erstaunte Augen, dann lächelte er.
    «Dann kann nur einer der Fahrgäste sie geöffnet haben, um sich den vielen Schnee anzusehen.»
    «So wird es sein», sagte Poirot.
    Er trommelte eine Weile nachdenklich mit den Fingern auf dem Tisch.
    «Monsieur machen mir keine Vorwürfe?», fragte der Schaffner furchtsam.
    Poirot lächelte ihn freundlich an.
    «Sie hatten einfach Pech, mein Lieber», sagte er. «Halt, noch eins, da es mir gerade einfällt. Sie sagten, es hätte noch woanders geklingelt, gerade als Sie an Mr. Ratchetts Tür klopften. Das habe ich selbst auch gehört. Welches Abteil war das?»
    «Das war Madame la Princesse Dragomiroff. Sie hat mir aufgetragen, ihre Zofe zu holen.»
    «Und das haben Sie getan?»
    «Ja, Monsieur.»
    Poirot studierte mit nachdenklichem Blick die vor ihm liegende Grundrissskizze. Dann nickte er kurz.
    «Das ist alles», sagte er. «Für den Augenblick.»
    «Danke, Monsieur.»
    Der Schaffner erhob sich. Er sah Monsieur Bouc an.
    «Grämen Sie sich nicht», sagte dieser freundlich. «Ich kann keinerlei Pflichtvergessenheit Ihrerseits erkennen.»
    Befriedigt verließ Pierre Michel das Abteil.

Zweites Kapitel

Das Zeugnis des Sekretärs
     
    P oirot gab sich eine Weile seinen Gedanken hin. «Ich glaube», sagte er schließlich, «wir täten gut daran, im Lichte dessen, was wir inzwischen wissen, noch einmal ein Wörtchen mit Mr. Mac-Queen zu reden.»
    Der junge Amerikaner erschien prompt.
    «Nun?», fragte er. «Wie stehen die Dinge?»
    «Gar nicht schlecht. Seit unserem letzten Gespräch habe ich etwas in Erfahrung gebracht – nämlich wer Mr. Ratchett wirklich war.»
    Hector MacQueen beugte sich interessiert vor.
    «Und?», fragte er.
    «Der Name Ratchett war, wie Sie vermuteten, ein Alias. Ratchett war in Wirklichkeit Cassetti, der Drahtzieher dieser Aufsehen erregenden Entführungsfälle – darunter der berühmt gewordene Fall der kleinen Daisy Armstrong.»
    Ein Ausdruck höchsten

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