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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Erstaunens erschien auf MacQueens Gesicht, dann verdüsterte es sich.
    «Dieses gemeine Stinktier!», rief er.
    «Sie hatten davon keine Ahnung, Mr. MacQueen?»
    «Nein, Monsieur», antwortete der junge Amerikaner entschieden. «Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mir lieber die rechte Hand abgehackt, bevor sie einen Schlag für ihn arbeiten konnte.»
    «Es geht Ihnen sehr nahe, Mr. MacQueen?»
    «Ja. Und das hat einen bestimmten Grund. Mein Vater war der Staatsanwalt, der den Fall zu bearbeiten hatte, Monsieur Poirot. Ich habe Mrs. Armstrong öfter als einmal zu Gesicht bekommen – eine wunderbare Frau. So sanftmütig, so untröstlich.» Er wurde zornrot. «Wenn je ein Mensch verdient hat, was er bekam, dann ist es dieser Ratchett oder Cassetti. Sein Tod ist mir eine große Freude. So einer hat auf der Welt nichts zu suchen.»
    «Sie wären gewissermaßen bereit gewesen, die gute Tat persönlich zu vollbringen?»
    «Ja. Ich –» Er stockte und errötete schuldbewusst. «Ich glaube, ich bin auf dem besten Wege, mich verdächtig zu machen.»
    «Ich wäre eher geneigt, Sie zu verdächtigen, Mr. MacQueen, wenn Sie sich über das Hinscheiden Ihres Arbeitgebers unverhältnismäßig betroffen gezeigt hätten.»
    «Ich glaube, das könnte ich nicht einmal, um mich vor dem elektrischen Stuhl zu retten», sagte MacQueen erbittert. Dann fuhr er fort:
    «Wenn es nicht ungebührlich neugierig von mir ist: Wie sind Sie darauf gekommen? Ich meine, dass er Cassetti war?»
    «Durch einen Brieffetzen, den ich in seinem Abteil gefunden habe.»
    «Aber der – ich meine – war das nicht ein bisschen schludrig von dem Alten?»
    «Das», antwortete Poirot, «kommt ganz auf den jeweiligen Standpunkt an.»
    Dem jungen Mann schien diese Bemerkung etwas rätselhaft vorzukommen. Er musterte Poirot von oben bis unten, als versuchte er aus ihm schlau zu werden.
    «Vor mir liegt nun die Aufgabe», sagte Poirot, «mir über die Schritte jedes Einzelnen in diesem Zug Klarheit zu verschaffen. Deswegen sollte sich niemand gekränkt fühlen, verstehen Sie? Es ist eine reine Routineangelegenheit.»
    «Selbstverständlich. Fragen Sie nur, damit ich mich nach Möglichkeit rein waschen kann.»
    «Ich brauche Sie wohl nicht nach der Nummer Ihres Abteils zu fragen», meinte Poirot lächelnd, «denn ich habe es eine Nacht lang mit Ihnen geteilt. Es ist das Zweiter-Klasse-Abteil mit den Betten Nummer sechs und sieben, und nachdem ich ausgezogen war, hatten Sie es für sich allein.»
    «Richtig.»
    «Und nun möchte ich von Ihnen über jeden Schritt unterrichtet werden, Mr. MacQueen, den Sie gestern Abend nach Verlassen des Speisewagens getan haben.»
    «Das ist ganz einfach. Ich bin in mein Abteil gegangen und habe ein bisschen gelesen, mir in Belgrad auf dem Bahnsteig kurz die Füße vertreten, fand es aber zu kalt und bin wieder eingestiegen. Ich habe mich eine Zeit lang mit einer jungen Engländerin unterhalten, die im übernächsten Abteil wohnt. Dann bin ich mit diesem Engländer ins Gespräch gekommen, Colonel Arbuthnot – ich glaube, Sie sind sogar an uns vorbeigegangen, während wir dastanden und redeten. Dann bin ich zu Mr. Ratchett gegangen und habe, wie schon gesagt, ein paar Notizen zu Briefen geholt, die ich für ihn schreiben sollte. Ich habe ihm gute Nacht gesagt und bin gegangen. Colonel Arbuthnot stand noch auf dem Gang. Sein Abteil war schon für die Nacht hergerichtet, und ich habe ihm vorgeschlagen, mit in meines zu kommen. Ich habe uns etwas zu trinken bringen lassen, und dann ging’s los mit der Diskussion: über die Weltpolitik, das Generalgouvernement Indien und unsere eigenen Finanzprobleme wegen der Krise an der Wall Street. Normalerweise habe ich für Briten nicht viel übrig – sie sind derart verbohrt –, aber diesen Colonel konnte ich ganz gut leiden.»
    «Wissen Sie, wie viel Uhr es war, als er Sie verließ?»
    «Ziemlich spät. Ich würde sagen, es ging auf zwei Uhr zu.»
    «Sie haben gemerkt, dass der Zug stand?»
    «Aber natürlich. Hat uns ein bisschen gewundert. Wir haben hinausgeschaut und den hohen Schnee gesehen, aber richtig ernst genommen haben wir das nicht.»
    «Wie ging es weiter, nachdem Colonel Arbuthnot sich schließlich von Ihnen verabschiedet hatte?»
    «Er ist in sein Abteil gegangen, und ich habe den Schaffner gerufen und mir das Bett herrichten lassen.»
    «Wo haben Sie sich währenddessen aufgehalten?»
    «Ich habe mich vor die Tür gestellt und eine Zigarette geraucht.»
    «Und dann?»
    «Dann

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