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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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anbetete.»
    «Nun, Mrs. Hubbard, Sie haben uns sehr geholfen – wirklich sehr. Wenn Sie mir vielleicht noch Ihren vollen Namen angeben könnten?»
    «Aber gewiss. Caroline Martha Hubbard.»
    «Würden Sie mir Ihre Adresse hier aufschreiben?»
    Mrs. Hubbard tat es, ohne sich beim Reden zu unterbrechen.
    «Ich kann es nicht fassen. Cassetti – in diesem Zug. Ich hatte ja gleich so ein dummes Gefühl bei diesem Mann, stimmt’s nicht, Mr. Poirot?»
    «O doch, Madame. Übrigens, besitzen Sie einen scharlachroten seidenen Morgenmantel?»
    «Barmherzigkeit, was ist denn das für eine seltsame Frage! Also nein. Ich habe zwei Morgenmäntel bei mir, einen aus rosa Flanell, der auf dem Schiff sehr bequem ist, und einen, den mir meine Tochter geschenkt hat – so etwas von dort, aus Seide, aber purpurrot. Wieso interessieren Sie sich um Himmels willen für meine Morgenmäntel?»
    «Nun, Madame, dazu sollten Sie wissen, dass gestern Nacht jemand in einem scharlachroten Kimono entweder in Ihr oder in Mr. Ratchetts Abteil gegangen ist. Es ist ja, wie Sie selbst vorhin sagten, schwer zu entscheiden, welches Abteil welches ist, wenn alle Türen geschlossen sind.»
    «Also, in meinem Abteil war niemand in einem scharlachroten Kimono.»
    «Dann muss sie in Mr. Ratchetts Abteil gegangen sein.»
    Mrs. Hubbard schürzte die Lippen und sagte gehässig: «Das würde mich kein bisschen wundern.»
    Poirot beugte sich fragend zu ihr vor.
    «Sie haben also nebenan eine Frauenstimme gehört?»
    «Ich weiß nicht, wie Sie das erraten haben, Mr. Poirot. Wirklich nicht. Aber – wie die Dinge liegen – ja, ich habe eine gehört.»
    «Aber als ich Sie vorhin fragte, ob Sie nebenan etwas gehört hätten, haben Sie nur gesagt, Sie hätten Mr. Ratchett schnarchen hören.»
    «Das stimmt ja auch. Er hat die halbe Zeit geschnarcht. Was die andere halbe Zeit angeht –» Hier wurde Mrs. Hubbard ein bisschen rot. «Das ist ja nichts, worüber man so gerne spricht.»
    «Um welche Zeit war das, als Sie eine Frauenstimme gehört haben?»
    «Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich bin nur ganz kurz aufgewacht und habe eine Frau reden hören, und es war ganz eindeutig, wo sie sich befand. Ich habe also nur gedacht: ‹Aha, so einer ist das. Mich wundert es jedenfalls nicht›, und dann bin ich wieder eingeschlafen, und bestimmt hätte ich so etwas nie vor drei fremden Herren erwähnt, wenn Sie es nicht so aus mir herausgequetscht hätten.»
    «War das vor oder nach dem Schrecken mit dem Mann in Ihrem Abteil?»
    «Also hören Sie, was Sie für Fragen stellen! Er kann doch nicht mit einer Frau gesprochen haben, wenn er schon tot war, oder?»
    «Pardon. Sie müssen mich für sehr dumm halten, Madame.»
    «Na ja, sogar Sie kommen wohl manchmal ein bisschen durcheinander. Aber ich kann es einfach nicht fassen, dass es dieses Untier Cassetti war. Was meine Tochter sagen wird – »
    Poirot half der guten Dame geschickt, ihre Handtasche wieder einzuräumen, dann geleitete er sie zur Tür.
    Im letzten Moment sagte er: «Sie haben Ihr Taschentuch fallen gelassen, Madame.»
    Mrs. Hubbard besah sich das Batisttüchlein, das er ihr hinhielt.
    «Das ist nicht meines, Mr. Poirot. Meines habe ich hier.»
    «Pardon. Ich dachte nur, weil doch ein ‹H› darauf gestickt ist –»
    «Ja, das ist schon komisch, aber mir gehört es wirklich nicht. Auf meinen steht ‹C.M.H.›, und das sind vernünftige Taschentücher – nicht so ein teurer Pariser Firlefanz. Was soll denn so ein Fetzen einer Nase nützen?»
    Keiner der drei Herren schien auf diese Frage eine Antwort zu haben, und Mrs. Hubbard segelte im Triumph davon.

Fünftes Kapitel

Das Zeugnis der Schwedin
     
    M onsieur Bouc befingerte den Knopf, den Mrs. Hubbard ihnen dagelassen hatte. «Dieser Knopf. Ich verstehe das nicht. Bedeutet er, dass Pierre Michel vielleicht doch in irgendeiner Weise verwickelt ist?», fragte er. Als Poirot keine Antwort gab, fuhr er nach kurzem Schweigen fort: «Was sagen Sie dazu, mein Freund?»
    «Der Knopf, er lässt Möglichkeiten erahnen», antwortete Poirot nachdenklich. «Hören wir uns als Nächstes die Dame aus Schweden an, bevor wir über die bisher erhaltenen Aussagen sprechen.»
    Er kramte in den vor ihm liegenden Pässen.
    «Ah, da haben wir sie. Greta Ohlsson, neunundvierzig Jahre alt.»
    Monsieur Bouc schickte einen Speisewagenkellner, und bald darauf wurde die Dame mit dem gelbgrauen Haarknoten und dem langen, sanften Schafsgesicht hereingeführt. Sie beäugte Poirot kurzsichtig

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