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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Nelkenöl daraufgetupft, Sir, und es hat die Schmerzen ein wenig gelindert, aber schlafen konnte ich trotzdem noch nicht. Da habe ich das Licht über meinem Kopf angeknipst und weitergelesen – um mich abzulenken.»
    «Und geschlafen haben Sie gar nicht?»
    «Doch, Sir. Gegen vier Uhr morgens bin ich eingeschlafen.»
    «Und Ihr Abteilgenosse?»
    «Der Italiener? Der hat nur geschnarcht.»
    «Er hat das Abteil während der ganzen Nacht nicht verlassen?»
    «Nein, Sir.»
    «Und Sie?»
    «Auch nicht, Sir.»
    «Haben Sie im Lauf der Nacht etwas gehört?»
    «Ich glaube nicht, Sir. Nichts Ungewöhnliches, meine ich. Da der Zug stand, war es ja sehr still.»
    Poirot schwieg ein paar Sekunden, dann sagte er: «Hm, ich denke, es gibt dazu nicht mehr viel zu sagen. Sie können kein Licht in die Tragödie bringen?»
    «Leider nein, Sir. Bedaure, Sir.»
    «Gab es Ihres Wissens jemals einen Streit oder böses Blut zwischen Ihrem Herrn und Mr. MacQueen?»
    «O nein, Sir. Mr. MacQueen ist ein sehr wohlerzogener junger Mann.»
    «Wo haben Sie in Diensten gestanden, bevor Sie zu Mr. Ratchett kamen?»
    «Bei Sir Henry Tomlinson, Sir, am Grosvenor Square.»
    «Warum sind Sie da fortgegangen?»
    «Er ging nach Ostafrika, Sir, und benötigte meine Dienste nicht mehr. Aber er wird gewiss ein Wort für mich einlegen, Sir. Ich war einige Jahre bei ihm.»
    «Und bei Mr. Ratchett waren Sie – wie lange?»
    «Etwas über neun Monate, Sir.»
    «Ich danke Ihnen, Masterman. Übrigens, sind Sie Pfeifenraucher?»
    «Nein, Sir. Ich rauche nur Zigaretten – ‹Sargnägel›, Sir.»
    «Danke. Das genügt.»
    Der Diener zögerte einen Augenblick.
    «Wenn Sie verzeihen, Sir, aber diese ältere Dame aus Amerika ist – ich würde sagen, in heller Aufregung. Sie sagt, sie weiß alles über den Mörder. Sie ist sehr erregt, Sir.»
    «In diesem Fall», meinte Poirot lächelnd, «sollten wir sie wohl als Nächstes befragen.»
    «Soll ich es ihr ausrichten, Sir? Sie verlangt schon die ganze Zeit jemanden zu sprechen, der hier etwas zu sagen hat. Der Schaffner versucht sie zu beruhigen.»
    «Her mit ihr, mein Guter», sagte Poirot. «Wir wollen uns sofort anhören, was sie uns zu erzählen hat.»

Viertes Kapitel

Das Zeugnis der Dame aus Amerika
     
    A ls Mrs. Hubbard in den Speisewagen kam, war sie im Zustand solcher Erregung, dass sie kaum ein verständliches Wort herausbrachte.
    «Jetzt sagen Sie mir einmal, wer hier etwas zu bestimmen hat. Ich habe etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, sehr, sehr wichtig, und das will ich so schnell wie möglich bei jemandem loswerden, der hier etwas zu bestimmen hat. Wenn also die Herren –»
    Ihr Blick irrte zwischen den drei Männern hin und her. Poirot beugte sich vor.
    «Sagen Sie es mir, Madame», antwortete er. «Aber zuvor nehmen Sie doch bitte Platz.»
    Mrs. Hubbard ließ sich schwer auf den Sitz ihm gegenüber fallen.
    «Ich habe Ihnen nicht mehr und nicht weniger zu sagen, als dass heute Nacht ein Mörder im Zug war, und dieser Mörder war doch glatt in meinem Abteil.»
    Sie legte eine Kunstpause ein, um ihre Worte wirken zu lassen.
    «Sind Sie sich dessen gewiss, Madame?»
    «Natürlich bin ich mir dessen gewiss. Welche Frage! Ich weiß, wovon ich rede. Ich erzähle Ihnen einfach mal alles, was es zu erzählen gibt. Also, ich war zu Bett gegangen und eingeschlafen, und plötzlich wachte ich auf – im Stockdunkeln – und wusste, dass ein Mann in meinem Abteil war. Ich hatte solche Angst, dass ich nicht mal schreien konnte, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich lag nur da und dachte: ‹Barmherzigkeit, jetzt werde ich gleich ermordet.› Ich kann Ihnen einfach nicht beschreiben, wie mir zu Mute war. Diese widerwärtigen Eisenbahnen, habe ich gedacht, und diese Ungeheuerlichkeiten, von denen ich gelesen habe. Und ich dachte: ‹Wenigstens kriegt er meinen Schmuck nicht.› Denn den hatte ich in einen Strumpf getan und unter meinem Kissen versteckt – was übrigens nicht besonders bequem ist, so hart und höckrig, wenn Sie verstehen, was ich meine. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Wo war ich?»
    «Sie hatten bemerkt, Madame, dass ein Mann in Ihrem Abteil war.»
    «Ach ja. Also, und da lag ich nun, hatte die Augen zu und überlegte hin und her, was ich machen könnte, und da dachte ich: ‹Wenigstens bin ich froh, dass meine Tochter nicht weiß, in was für einer furchtbaren Lage ich hier bin.› Aber irgendwie habe ich mich dann wieder gefangen und mit der Hand um mich getastet und auf die Klingel für

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