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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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durch ihre Brille, aber sie war vollkommen ruhig.
    Es stellte sich heraus, dass sie Französisch sprach und verstand, und so wurde die Vernehmung in dieser Sprache geführt. Poirot stellte ihr zuerst die Fragen, auf die er die Antworten schon kannte – Name, Alter, Adresse. Dann erkundigte er sich nach ihrem Beruf.
    Sie sei Hausmutter in einer Missionsschule bei Istanbul, erklärte sie ihm, und ausgebildete Krankenschwester.
    «Sie haben gewiss schon gehört, was sich letzte Nacht hier zugetragen hat, Mademoiselle?»
    «Natürlich. Es ist so furchtbar. Und die Dame aus Amerika sagt, dass der Mörder sogar in ihrem Abteil war.»
    «Wie ich höre, Mademoiselle, waren Sie die Letzte, die den Ermordeten lebend gesehen hat?»
    «Das weiß ich nicht. Es kann aber sein. Ich hatte doch versehentlich die Tür zu seinem Abteil geöffnet. Ich habe mich sehr geniert. Es war so ein peinliches Versehen.»
    «Und Sie haben ihn mit eigenen Augen gesehen?»
    «Ja. Er las in einem Buch. Ich habe mich entschuldigt und die Tür schnell wieder zugemacht.»
    «Hat er etwas zu Ihnen gesagt?»
    Eine leichte Röte stieg der Dame in die Wangen.
    «Er hat gelacht und ein paar Worte gesagt. Ich – habe sie nicht ganz verstanden.»
    «Und was haben Sie dann getan, Mademoiselle?», fragte Poirot, um taktvoll das Thema zu wechseln.
    «Ich bin zu Mrs. Hubbard hineingegangen, der Amerikanerin, und habe sie um ein Aspirin gebeten. Sie hat mir welches gegeben.»
    «Hat Mrs. Hubbard Sie gefragt, ob die Verbindungstür zwischen ihrem und Mr. Ratchetts Abteil verriegelt war?»
    «Ja.»
    «Und war sie verriegelt?»
    «Ja.»
    «Und danach?»
    «Danach bin ich in mein Abteil zurückgegangen, habe das Aspirin genommen und mich zu Bett gelegt.»
    «Wann war das alles?»
    «Als ich mich hinlegte, war es fünf Minuten vor elf, denn ich sehe immer auf die Uhr, bevor ich sie aufziehe.»
    «Sind Sie dann bald eingeschlafen?»
    «Nicht sehr bald. Mein Kopfweh hatte nachgelassen, aber dann habe ich doch noch einige Zeit wach gelegen.»
    «War der Zug schon stehen geblieben, bevor Sie endlich einschliefen?»
    «Ich glaube nicht. Einmal haben wir, soviel ich weiß, auf einem Bahnhof gehalten, als ich gerade schläfrig wurde.»
    «Das dürfte in Vincovci gewesen sein. Ihr Abteil, Mademoiselle, ist doch dieses hier?» Er zeigte es ihr auf der Skizze.
    «Ja, genau.»
    «Haben Sie das obere oder das untere Bett?»
    «Das untere. Nummer zehn.»
    «Und es ist noch jemand in Ihrem Abteil?»
    «Ja, eine junge Engländerin. Sehr liebenswürdig, sehr nett. Sie hat ihre Reise in Bagdad angetreten.»
    «Hat sie, nachdem der Zug in Vincovci wieder abgefahren war, noch einmal das Abteil verlassen?»
    «Nein, bestimmt nicht.»
    «Woher wissen Sie das so genau, wenn Sie doch geschlafen haben?»
    «Ich habe einen sehr leichten Schlaf. Beim leisesten Geräusch wache ich auf. Und ich wäre bestimmt aufgewacht, wenn sie von dem oberen Bett heruntergestiegen wäre.»
    «Haben Sie selbst noch einmal das Abteil verlassen?»
    «Erst heute früh.»
    «Besitzen Sie einen scharlachroten Seidenkimono, Mademoiselle?»
    «Aber nein. Ich besitze einen soliden, bequemen Morgenmantel aus Jägerwolle.»
    «Und Ihre Abteilgenossin?»
    «Einen blasslila Überwurf, wie man ihn im Orient bekommt.»
    Poirot nickte. Dann fragte er in freundlichem Ton: «Was ist der Grund für Ihre Reise? Urlaub?»
    «Ja, ich habe Heimaturlaub. Aber zuerst fahre ich noch für eine Woche nach Lausanne zu meiner Schwester.»
    «Wären Sie wohl so liebenswürdig, mir den Namen und die Adresse Ihrer Schwester aufzuschreiben?»
    «Gern.»
    Sie nahm das Blatt Papier und den Stift, den er ihr gab, und schrieb den Namen und die Adresse auf.
    «Waren Sie je in Amerika, Mademoiselle?»
    «Nein. Einmal beinahe. Da sollte ich eine invalide Dame begleiten, aber das wurde in letzter Minute umgestoßen. Ich habe es sehr bedauert. Sie sind sehr gute Menschen, die Amerikaner. Geben viel Geld für die Gründung von Schulen und Krankenhäusern. Und sie sind sehr praktisch veranlagt.»
    «Erinnern Sie sich, einmal von dem Entführungsfall Armstrong gehört zu haben?»
    «Nein, was war das?»
    Poirot erklärte es ihr.
    Greta Ohlsson war empört. Ihr gelber Haarknoten bebte, so erschüttert war sie.
    «Dass es derart schlechte Menschen auf der Welt gibt! Da möchte man an Gott zweifeln. Die arme Mutter. Mir blutet das Herz für sie.»
    Die liebenswerte Schwedin ging. Ihr gütiges Gesicht war gerötet, in ihren Augen standen Tränen.
    Poirot

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