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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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liebenswürdig, Madame», sagte Poirot.
    «Aber nein. Es ist meine Pflicht. Was möchten Sie wissen?»
    «Als Erstes Ihren vollen Vornamen und Ihre Adresse, Madame. Wenn Sie das vielleicht lieber selbst aufschreiben möchten…?»
    Poirot wollte ihr ein Blatt Papier und einen Bleistift reichen, aber die Fürstin wies beides mit einer Geste zurück.
    «Schreiben Sie das nur selbst», sagte sie. «Es ist nicht schwer. Natalia Dragomiroff, Avenue Kleber siebzehn, Paris.»
    «Sie kommen aus Konstantinopel und fahren nach Hause, Madame?»
    «Ja. Ich habe dort in der österreichischen Botschaft geweilt. Und ich reise in Begleitung meiner Zofe.»
    «Wären Sie so gütig, mir kurz zu berichten, was Sie gestern Abend ab dem Abendessen getan haben?»
    «Gern. Ich hatte den Schlafwagenschaffner angewiesen, mein Bett herzurichten, solange ich im Speisewagen war. Nach dem Abendessen bin ich sofort zu Bett gegangen. Ich habe bis elf Uhr gelesen und dann das Licht gelöscht. Schlafen konnte ich aber wegen gewisser rheumatischer Beschwerden, unter denen ich leide, nicht. Gegen Viertel vor eins habe ich meine Zofe rufen lassen. Sie hat mich massiert und mir dann vorgelesen, bis ich schläfrig war. Ich kann nicht auf die Minute sagen, wann sie wieder gegangen ist. Es kann eine halbe Stunde später gewesen sein, vielleicht etwas mehr.»
    «Stand der Zug da schon?»
    «Er stand.»
    «Sie haben während dieser Zeit nichts gehört, Madame – ich meine, nichts Ungewöhnliches?»
    «Ich habe nichts Ungewöhnliches gehört.»
    «Wie heißt Ihre Zofe?»
    «Hildegard Schmidt.»
    «Ist sie schon lange in Ihren Diensten?»
    «Fünfzehn Jahre.»
    «Ist sie Ihrer Ansicht nach vertrauenswürdig?»
    «Ganz und gar. Ihre Familie stammt von einem Gut meines Mannes in Deutschland.»
    «Ich nehme an, Sie waren schon einmal in Amerika, Madame?»
    Der unvermittelte Themenwechsel bewirkte bei der alten Dame ein kurzes Stirnrunzeln.
    «Schon oft.»
    «Waren Sie früher einmal mit einer Familie Armstrong bekannt – in der sich eine Tragödie ereignet hat?»
    Die Fürstin antwortete mit sehr bewegter Stimme: «Sie sprechen von Menschen, die meine Freunde waren, Monsieur.»
    «Demnach kannten Sie Colonel Armstrong gut?»
    «Ihn kannte ich nur flüchtig; aber seine Frau, Sonia Armstrong, war mein Patenkind. Ich stand zu ihrer Mutter, der Schauspielerin Linda Arden, in einer freundschaftlichen Beziehung. Linda Arden war eine geniale Tragödin, eine der größten der Welt. Als Lady Macbeth, als Magda kam ihr keine gleich. Ich habe nicht nur ihre Kunst bewundert, ich war ihre persönliche Freundin.»
    «Ist sie tot?»
    «Nein, nein, sie lebt noch, aber ganz zurückgezogen. Sie ist von zarter Gesundheit und liegt die meiste Zeit auf ihrem Sofa.»
    «Soviel ich weiß, hatte sie noch eine zweite Tochter?»
    «Ja. Wesentlich jünger als Mrs. Armstrong.»
    «Und, lebt sie noch?»
    «Gewiss.»
    «Wo lebt sie?»
    Die alte Dame sah ihn scharf an.
    «Ich muss Sie bitten, mir den Grund für diese Fragen zu nennen. Was hat das alles mit der Sache zu tun – dem Mord in diesem Zug?»
    «Es hat insofern damit zu tun, Madame, als der Ermordete derselbe Mann ist, der Mrs. Armstrongs Kind entführen ließ.»
    «Ach!»
    Die Fürstin zog ihre geraden Augenbrauen zusammen. Sie setzte sich etwas aufrechter.
    «Dann ist dieser Mord in meinen Augen ein überaus erfreuliches Ereignis! Sie werden mir diesen etwas einseitigen Standpunkt verzeihen.»
    «Ich finde ihn höchst natürlich, Madame. Nun aber zurück zu der Frage, die Sie noch nicht beantwortet haben. Wo lebt Linda Ardens jüngere Tochter, Mrs. Armstrongs Schwester?»
    «Das kann ich Ihnen wahrhaftig nicht sagen, Monsieur. Ich habe die jüngere Generation aus den Augen verloren. Soviel ich weiß, hat sie vor einigen Jahren einen Engländer geheiratet und ist mit ihm nach England gezogen, aber auf ihren Namen kann ich mich im Augenblick nicht besinnen.»
    Sie schwieg ein paar Sekunden, dann fragte sie: «Haben Sie noch weitere Fragen an mich, meine Herren?»
    «Nur noch eine, Madame – eine ziemlich persönliche Frage. Welche Farbe hat Ihr Morgenmantel?»
    Sie zog nur leicht die Augenbrauen hoch.
    «Ich nehme an, dass Sie auch für diese Frage einen Grund haben. Mein Morgenmantel ist aus blauem Satin.»
    «Das wäre alles, Madame. Ich danke Ihnen, dass Sie auf meine Fragen so bereitwillig geantwortet haben.»
    Sie winkte mit ihrer dick beringten Hand ab.
    Als sie dann aufstand und die anderen sich ebenfalls erhoben, hielt sie

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