Mord im Pfarrhaus
zugesagt.»
«Sehr gut, mein Liebes.»
«Was betrachtest du da?»
«Nichts.»
Ich schloss die Hand, schaute meine Frau an und sagte: «Wenn du den jungen Raymond West nicht amüsierst, mein Liebes, muss er sehr schwer zufrieden zu stellen sein.»
Meine Frau sagte: «Sei nicht albern, Len», und wurde rot.
Sie ging wieder hinaus, und ich öffnete die Hand.
Auf meiner Handfläche lag ein blauer Lapislazuli-Ohrring, der in Staubperlen gefasst war.
Es war ein ziemlich ungewöhnliches Schmuckstück, und ich wusste sehr genau, wo ich es zuletzt gesehen hatte.
Einundzwanzigstes Kapitel
I ch kann nicht behaupten, dass ich Mr Raymond West jemals besonders bewundert hätte. Ich weiß, er gilt als hervorragender Romancier, und er hat sich einen gewissen Namen als Lyriker gemacht. Seine Gedichte kommen ohne Großbuchstaben aus, was, glaube ich, das Wesentliche der Modernität ist. Seine Bücher handeln von unerfreulichen Leuten und ihrem unerhört langweiligen Leben.
Er hat eine tolerante Zuneigung zu «Tante Jane», die er in ihrer Gegenwart als ‹Überbleibsel› bezeichnet.
Sie hört ihm mit schmeichelhaftem Interesse zu, und ich bin sicher, dass er niemals bemerkt, wenn ihre Augen manchmal amüsiert funkeln.
Er stürzte sich sofort und mit einer Plötzlichkeit auf Griselda, die nur als Kompliment gewertet werden konnte. Sie sprachen über moderne Theaterstücke und gingen dann zu moderner Inneneinrichtung über. Griselda täuscht vor, über Raymond West zu lachen, aber ich glaube, sie ist sehr empfänglich für seine Konversation.
Während meiner (langweiligen) Unterhaltung mit Miss Marple hörte ich in Abständen immer wieder «hier unten ist man so gut wie lebendig begraben».
Das fing schließlich an mich zu irritieren. Ich sagte mit einem Mal:
«Wahrscheinlich glauben Sie, dass wir hier hinterm Mond daheim sind?»
Raymond West schwenkte seine Zigarette.
«Ich betrachte St. Mary Mead», entgegnete er gebieterisch, «als ein stehendes Gewässer.»
Er schaute uns an, als würde er Protest erwarten, aber vermutlich zu seinem Verdruss zeigte sich niemand verärgert.
«Das ist wirklich kein sehr guter Vergleich, lieber Raymond», sagte Miss Marple lebhaft. «Nichts, glaube ich, ist unter dem Mikroskop so voller Leben wie ein Wassertropfen aus einem stehenden Gewässer.»
«Eine bestimmte Art Leben», gab der Romancier zu.
«Es ist alles ziemlich von der gleichen Art, nicht wahr?», sagte Miss Marple.
«Vergleichst du dich mit einem Bewohner eines stehenden Gewässers, Tante Jane?»
«Mein Lieber, ich erinnere mich, dass du in deinem letzten Buch etwas in dieser Richtung geschrieben hast.»
Kein kluger junger Mann kann es leiden, wenn seine Werke gegen ihn zitiert werden. Raymond West war keine Ausnahme.
«Das war etwas ganz anderes», sagte er kurz.
«Das Leben ist schließlich überall ziemlich das Gleiche», sagte Miss Marple mit ihrer sanften Stimme. «Geboren werden, weißt du, aufwachsen – und mit anderen Menschen in Berührung kommen – Ärger bekommen – und dann Heirat und wieder Babys…»
«Und schließlich der Tod», sagte Raymond West. «Und nicht immer ein Tod mit einer Sterbeurkunde. Tod im Leben.»
«Wenn wir schon vom Tod reden», sagte Grisela, «wissen Sie, dass wir hier einen Mord hatten?»
Raymond West wischte Mord mit seiner Zigarette beiseite. «Mord ist so roh. Dafür interessiere ich mich nicht.»
Diese Behauptung überzeugte mich keine Sekunde. Alle sagen, die ganze Welt liebt Liebende – wer diese Redensart auf Mord anwendet, hat eine noch weniger zu bestreitende Wahrheit. Jeder interessiert sich für Mord. Einfache Leute wie Griselda und ich können das eingestehen, aber jemand wie Raymond West muss vorgeben, gelangweilt zu sein – wenigstens in den ersten fünf Minuten.
Miss Marple jedoch verriet ihren Neffen mit der Bemerkung: «Raymond und ich haben während des ganzen Abendessens über nichts anderes gesprochen.»
«Ich nehme großen Anteil an den lokalen Neuigkeiten», sagte Raymond schnell. Er lächelte Miss Marple milde und tolerant zu.
«Haben Sie eine Theorie, Mr West?», fragte Griselda.
«Logischerweise», Raymond West schwenkte wieder seine Zigarette, «kann nur eine Person Protheroe getötet haben.»
«Ja?»
Wir warteten mit schmeichelhafter Aufmerksamkeit auf seine nächsten Worte.
«Der Pfarrer», sagte Raymond und deutete anklagend auf mich.
Ich hielt den Atem an.
«Natürlich», beruhigte er mich, «weiß ich, dass Sie es nicht getan
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