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Mord im Pfarrhaus

Mord im Pfarrhaus

Titel: Mord im Pfarrhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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jetzt schauen Sie sich das an.»
    Mitten auf der Seite war ein Foto, offenbar vor mindestens zehn Jahren aufgenommen – der Himmel weiß, wo sie es ausgegraben hatten. Darunter die Schlagzeile:
     
    Witwe erklärt, sie werde nicht ruhen,
    bis Mörder ihres Ehemanns zur Strecke gebracht ist
     
    Mrs Protheroe, die Witwe des Ermordeten, ist überzeugt, dass der Mörder am Ort gesucht werden muss. Sie hat Vermutungen, aber keine Gewissheit. Sie erklärte, sie sei vor Schmerz am Boden zerstört, bekräftigte aber ihre Entschlossenheit, den Mörder zur Strecke zu bringen.
     
    «Das klingt doch nicht nach mir, oder?», sagte Anne.
    «Es hätte schlimmer sein können.» Ich gab ihr die Zeitung zurück.
    «Diese Burschen sind unverschämt, nicht wahr?», sagte Miss Cram. «Ich möchte zu gern erleben, wie einer von ihnen versucht, aus mir etwas herauszukriegen.»
    Das Funkeln in Griseldas Augen verriet mir, dass sie diese Aussage in wörtlicherem Sinn für wahr hielt, als es Miss Cram lieb sein mochte.
    Das Essen wurde angekündigt, und wir gingen hinein. Lettice ließ sich erst blicken, als wir die halbe Mahlzeit hinter uns hatten und sie mit einem Lächeln für Griselda und einem Kopfnicken für mich auf den leeren Platz glitt. Ich hatte meine Gründe, sie mit einer gewissen Aufmerksamkeit zu beobachten, aber sie wirkte wie üblich vage. Außerordentlich hübsch – das musste ich gerechterweise zugeben. Sie trug immer noch keine Trauer, sondern war in ein Blassgrün gekleidet, das die Zartheit ihres hellen Teints betonte.
    Nachdem wir Kaffee getrunken hatten, sagte Anne ruhig: «Ich möchte mich ein wenig mit dem Pfarrer unterhalten. Ich nehme ihn mit hinauf in mein Wohnzimmer.»
    Endlich sollte ich den Grund unserer Einladung erfahren. Ich stand auf und folgte ihr die Treppe hinauf. An der Zimmertür blieb sie stehen. Als ich etwas sagen wollte, streckte sie warnend die Hand aus. Sie horchte und schaute hinunter in die Diele.
    «Gut. Sie gehen hinaus in den Garten. Nein – nicht da hinein. Wir können gleich hinauf.»
    Zu meiner Überraschung ging sie mit mir den Gang entlang zum äußersten Ende des Flügels. Hier führte eine schmale, leiterähnliche Treppe zum Stockwerk darüber. Anne ging hinauf, ich folgte ihr. Wir standen in einem staubigen, mit Brettern verschalten Gang. Anne öffnete eine Tür und führte mich in einen großen düsteren Speicher, der offenbar als Rumpelkammer benutzt wurde. Hier standen Truhen, alte zerbrochene Möbel, ein paar gestapelte Bilder und all der viele Krimskrams, der in einer Rumpelkammer aufbewahrt wird.
    Ich sah offenbar so überrascht aus, dass sie lächelte.
    «Zuerst muss ich das erklären. Ich habe momentan einen sehr leichten Schlaf. Vergangene Nacht – oder besser am Morgen gegen drei war ich überzeugt, jemanden im Haus umhergehen zu hören. Ich horchte einige Zeit, schließlich stand ich auf und schaute nach. An der Treppe wurde mir klar, dass die Geräusche nicht von unten kamen, sondern von oben. Ich ging zum Fuß dieser Treppe. Wieder glaubte ich etwas zu hören. Ich rief hinauf: ‹Ist da jemand?› Aber es kam keine Antwort, ich hörte nichts mehr, ich nahm also an, meine Nerven hätten mir einen Streich gespielt und ging zurück ins Bett. Aber heute Morgen in aller Frühe kam ich hier herauf – einfach aus Neugier. Und ich fand das!»
    Sie bückte sich und drehte ein Bild herum, das mit dem Leinwandrücken zu uns an der Wand gelehnt hatte.
    Überrascht schrie ich auf. Bei dem Bild handelte es sich um ein Ölporträt, aber das Gesicht war so wild zerhackt und zerschnitten, dass es unkenntlich war. Und die Schnitte waren ganz frisch.
    «Das ist ja unglaublich!», sagte ich.
    «Nicht wahr? Sagen Sie, können Sie sich das erklären?»
    Ich schüttelte den Kopf.
    «Darin liegt eine Brutalität, die mir gar nicht gefällt», sagte ich. «Es sieht aus, als wäre es in einem wahnsinnigen Wutanfall geschehen.»
    «Ja, das dachte ich auch.»
    «Wen zeigt das Porträt?»
    «Ich habe keine Ahnung. Ich habe es nie zuvor gesehen. Alle diese Dinge waren schon im Speicher, als ich Lucius heiratete und hierher zog. Ich habe sie nie angeschaut oder mich darum gekümmert.»
    «Erstaunlich.»
    Ich bückte mich und betrachtete die anderen Bilder. Sie entsprachen dem, was man in einer Rumpelkammer erwartet – einige sehr mittelmäßige Landschaften, einige Öldrucke und ein paar billig gerahmte Reproduktionen.
    Nirgendwo ein Hinweis. Eine große, altmodische Truhe der Art, die man

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